Mit der fortschreitenden digitalen Transformation wird die Fähigkeit, Daten strategisch zu nutzen, zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil, und das über alle Branchen hinweg. Dennoch stehen viele Modeunternehmen noch immer vor großen Hürden, wenn es darum geht, ihre Daten sinnvoll zu managen und daraus echten Mehrwert zu ziehen. Genau hier kommen externe Partner ins Spiel. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Modebranche, ihre digitale Transformation und darauf, wie sie durch die Zusammenarbeit mit Datenservice-Dienstleistern, im Folgenden Data Service Providers genannt, produktive Partnerschaften aufbauen kann, um sich in einem hart umkämpften Markt erfolgreich zu behaupten.
Wer mit der Modebranche noch nicht so vertraut ist, sollte zunächst diese kurze Einführung lesen:
Einleitung: Was du über die Modebranche wissen musst
Die Modebranche ist ein zentraler Player in der globalen Wirtschaft und steht ständig unter Druck durch Marktveränderungen und wirtschaftliche Unsicherheiten. Obwohl sie historisch tief in traditionellem Handwerk verwurzelt ist, hat sie sich immer wieder an technologische und gesellschaftliche Veränderungen angepasst. Als eine der ältesten und dynamischsten Branchen wird die Modeindustrie heute gleichermaßen durch Big Data und digitale Innovation gestärkt wie herausgefordert. Außerdem ist sie ein hochkompetitiver Markt, in dem zahlreiche Anbieter:innen sehr ähnliche Produkte verkaufen. Charakteristisch für die Branche ist zudem die starke Segmentierung von Produkten, die aufgrund des stetigen Wechsels von Saisons und Trends extrem volatil bleiben.
In den letzten Jahrzehnten haben Globalisierung und veränderte Kundenerwartungen die Struktur und Anforderungen des Modemarkts massiv verändert. Unternehmen müssen heute komplexe Lieferketten steuern, sich wahnsinnig schnell an Trends anpassen und gleichzeitig steigende Erwartungen an Personalisierung und Nachhaltigkeit erfüllen.
Ein Modeunternehmen vereint in seiner Struktur sehr unterschiedliche Rollen: von hochkreativen bis hin zu analytischen und Management-Aufgaben. Gerade diese organisatorische Komplexität macht es schwer, die Modebranche als einheitliche Industrie zu analysieren – wir versuchen es in diesem Artikel trotzdem mal.
Digitale Transformation in der Modebranche
Digitale Transformation bedeutet im Kern die strategische Integration digitaler Technologien und den kulturellen Wandel in allen Geschäftsbereichen. Die übergeordneten Ziele: mehr Effizienz, höhere Anpassungsfähigkeit und gesteigerte Profitabilität. Digitale und datengetriebene Transformationen sind in vielen Branchen unverzichtbar, besonders aber in kundenzentrierten Bereichen wie der Modeindustrie. Hier geht die digitale Transformation längst über reine Kundenlösungen hinaus und umfasst Innovationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette: von Echtzeit-Transparenz in Lieferketten über Demand Planning und cloudbasierte Fertigung bis hin zu dynamischer Bestandsoptimierung. Diese Technologien ermöglichen schnellere Reaktionen auf Marktschwankungen und fördern nachhaltigere, besser nachvollziehbare Produktionsprozesse. Gleichzeitig gewinnen digitale Kommunikationstools, Smart Devices und E-Commerce-Plattformen weiter an Bedeutung und treiben den Wandel hin zu einem datengetriebenen, vernetzten Mode-Ökosystem voran.
Ein Beispiel: Bei Inditex (Zara) betreibt ein firmeneigenes Rechenzentrum rund um die Uhr Datenverarbeitung für Lieferketten, Verkäufe, Energieverbrauch und vieles mehr, um alle Geschäftsbereiche datenbasiert zu steuern und Ressourcen so effizient wie möglich einzusetzen.
Einsatz fortschrittlicher Technologien in der Modebranche
Darüber hinaus nutzt die Branche zunehmend fortschrittliche Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML). Im Modekontext können KI-Systeme Prognosen, Trendanalysen oder sogar Designprozesse unterstützen. Machine Learning hilft etwa bei Produktentwicklung und komplexer Nachfrageprognose. Ergänzt werden diese Technologien durch Innovationen wie 3D- und 4D-Scans, die Körperdaten in Bewegung digital erfassen und daraus anthropometrische Parameter – also Maße und Proportionen des menschlichen Körpers – ableiten. So lassen sich Passform und Funktionalität von Kleidung gezielt optimieren, basierend auf präzisen digitalen Körperabbildungen.
Big Data Analytics (BDA)
Eine weitere wichtige Technologie: Big Data Analytics (BDA). Damit können Angebote auf Basis individueller Konsumprofile und Kaufhistorien personalisiert werden. Voraussetzung für solche Transformationen ist die Identifikation und Digitalisierung von Stammdaten. Dazu gehören strukturierte und unstrukturierte Datensätze aus 3D-Scans, Materialplattformen, CRM-Tools oder digitalen Druckprozessen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Im Zuge dieser Entwicklung haben viele Unternehmen virtuelle Anproben und Design-Support-Systeme auf ihren E-Commerce-Plattformen als Reaktion auf die wachsende Bedeutung von Big Data und Onlinehandel eingeführt. Wenn du tiefer ins Thema Daten in der Mode einsteigen möchtest, lies gern meinen vorherigen Artikel: Das Daten-Dilemma der Mode: Strategisches Management oder Planlosigkeit?
Zusammenarbeit mit Data Service Providers
Für Modeunternehmen, die datengetriebene Methoden in ihre täglichen Abläufe integrieren möchten, werden Data Service Providers zu wichtigen Partnern beim Aufbau und der Umsetzung effektiver Datenstrategien. In Branchen wie Finanzen oder Tech haben sich solche Partnerschaften bereits bewährt. In der Modeindustrie hingegen sind sie bisher noch relativ selten. Wenn, dann oft auf einzelne Projekte beschränkt. Diese können kurzfristig helfen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, führen aber selten zu einer tiefgreifenden Integration in die Dateninfrastruktur oder das Datenmanagement.
Doch je stärker der Druck zur datengetriebenen Transformation wächst, desto relevanter werden diese Kooperationen. Externe Partner bringen nicht nur technisches Know-how mit, sondern auch eine frische, unternehmerische Perspektive. Etwas, das in traditionellen Modeunternehmen mit starren Prozessen, Risikoscheu oder begrenzten Ressourcen oft schwer zu entwickeln ist.
Also: Wie sehen solche Kooperationen in der Praxis aus?
Konkrete Beispiele für Datenpartnerschaften
Rent the Runway x Oracle
Ein Beispiel ist die US-amerikanische Modeverleih-Plattform Rent the Runway, die eine strategische Technologie-Partnerschaft mit Oracle, einem weltweit agierenden Anbieter für Cloud-Infrastruktur, Software und Datenlösungen, einging. Durch die Einbindung eines Chief Scientists von Oracle gewann das Unternehmen Zugang zu fortschrittlichem Analytics-Know-how, um seine ohnehin datenintensiven Prozesse weiter zu optimieren. Das Ergebnis: hochpersonalisierte Kundenerlebnisse durch intelligente Outfitempfehlungen, optimierte Logistikprozesse und weniger Abfall. Alles auf Basis von Verhaltensdaten wie Bewertungen, Standort oder Tragehäufigkeit.
Übrigens: Wenn dich das Thema Verhaltensdaten interessiert, lies gern den technischen Deep-Dive-Artikel meines Kollegen, der erklärt, wie ein Behavioral Data Model funktioniert und welches Potenzial darin steckt, Website-User-Daten nutzbar zu machen.
Elle Zeitoune x Heuritech
In einer projektbasierten Partnerschaft arbeitete die australische Designerbrand Elle Zeitoune mit dem Fashion-Tech-Unternehmen Heuritech zusammen. Gründerin Elle Tabet wollte datengestützte Insights in ihren Designprozess integrieren, um sicherzustellen, dass ihre Kollektionen nicht nur kreativ, sondern auch marktnah sind. Heuritech entwickelte dafür eine Plattform, die mithilfe von Computer Vision Millionen Social-Media-Bilder analysierte. So konnten über 20.000 Trends in Farben, Prints, Formen, Stoffen und Details erkannt und auf 15 Regionen, vier Altersgruppen und drei Zielgruppen (edgy, trendy, mainstream) segmentiert werden. Heuritech verfolgte das Ziel, die Trendnachfrage bis zu 24 Monate im Voraus vorherzusagen und lieferte dabei Prognosen zu Farben, Prints und Stoffen. Für Elle Zeitoune bedeutete das, vier saisonale Kollektionen mit datenbasierten Designentscheidungen planen zu können und dabei trotzdem die kreative Kontrolle zu behalten. Die Zusammenarbeit verschaffte der Marke eine schnelle und präzise Möglichkeit, ihre Designs an die Marktnachfrage anzupassen und so sowohl Relevanz als auch Nachhaltigkeit zu steigern.
Hugo Boss x Metyis
HUGO BOSS ging eine langfristige strategische Partnerschaft mit Metyis ein, die 2023 in der Eröffnung des HUGO BOSS Digital Campus in Portugal mündete. Das Ziel: die Datenanalyse zu stärken, eine bessere Datenarchitektur aufzubauen und das digitale Umsatzwachstum zu beschleunigen. Mit der Expertise von Metyis in Advanced Business Analytics und Künstlicher Intelligenz konnte die Modemarke ihre E-Commerce-Fähigkeiten skalieren und datengetriebene Entscheidungsfindung über alle Unternehmensbereiche hinweg integrieren. Der Digital Campus kann als eine Art Joint Venture betrachtet werden. In diesem Fall arbeitet Metyis als Technologie- und Datenpartner direkt mit HUGO BOSS zusammen, um alle verfügbaren Unternehmensdaten optimal zu nutzen.
Welche Kooperationsmodelle gibt es?

Die Zusammenarbeit zwischen Data Service Providers und Modeunternehmen kann unterschiedliche Formen annehmen:
…Projektbasiert, um gemeinsam ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Zum Beispiel die Implementierung datenbasierter Trendvorhersagen für die nächste Saison.
…Langfristige Zusammenarbeit in Form eines Retainers. Hierbei geht es beispielsweise darum, das Datenmanagement eines Modeunternehmens kontinuierlich zu verbessern inklusive regelmäßiger Workshops, klar definierter Ziele und einer monatlichen Pauschale.
…Als Joint Venture, also als eine langfristige Partnerschaft, bei der zwei Unternehmen ihre Expertise und Ressourcen bündeln, um gemeinsame Ziele zu verfolgen.
Wo liegt der Mehrwert solcher Kooperationen?
Es gibt mehrere Bereiche, in denen sich Modeunternehmen weiterentwickeln können und in denen externe Unterstützung durch ein datengetriebenes Unternehmen einen spürbaren Unterschied macht. Beispiele sind:
- Verbesserung der Suchfunktion auf Websites, zum Beispiel durch präzisere Suchergebnisse
- Optimierung von Nachfrageprognosen, um Logistikprozesse besser zu planen, insbesondere bei großen Kampagnen oder Aktionen wie dem Black Friday, bei denen plötzliche Nachfragespitzen einen erheblichen Anteil am Jahresumsatz großer Modeunternehmen ausmachen
- Umsetzung von Trendsetting- oder Trendfollowing-Strategien, die sowohl eine schnelle Datenerfassung als auch eine Echtzeitanalyse erfordern, um zeitnah auf Marktsignale reagieren zu können
- Schnelle Erfassung und Nutzung der durch die eigenen Aktivitäten eines Unternehmens generierten Daten, was eine zusätzliche Ebene an Komplexität mit sich bringt, wenn es um große Datenvolumina und hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit geht
- Implementierung fortschrittlicher Technologien, zum Beispiel KI-Features auf einer Website; solche Tools sind hochgradig datengetrieben und können nur dann echte Mehrwerte liefern, wenn die notwendigen Grundlagen wie Datenzugang, Datenqualität und stabile Prozesse bereits vorhanden sind
Externe Data Service Providers bringen eine frische, unvoreingenommene Perspektive mit, zusammen mit Fähigkeiten und Erfahrungen, die intern oft fehlen. Häufig können sie alles aus einer Hand abdecken: von der strategischen Beratung über technisches Data Engineering bis hin zu fortgeschrittenen KI-Anwendungen. Sie helfen beim Aufbau von Datenkatalogen und Datenarchitekturen und legen so die Grundlage dafür, dass fortschrittliche Technologien ihr volles Potenzial entfalten können. Außerdem bewerten sie die Datenmanagement-Reife, verschaffen Überblick über die gesamte Datenlandschaft und verbessern Bereiche wie Data Governance.
Darüber hinaus zeigen sie Mitarbeitenden, dass sie bereits heute tagtäglich mit Daten arbeiten, und vermitteln ihnen, wie sie diese effektiv und ohne Angst nutzen können – sei es Angst vor zusätzlicher Verantwortung oder vor weiterem Schulungsaufwand. Data Service Providers können außerdem Konzepte wie Data Mesh unterstützen, um isolierte Daten in zugängliches, nutzbares Wissen zu verwandeln, während sie interne Teams schrittweise befähigen, mehr Verantwortung in den eigenen Datenprozessen zu übernehmen. Und natürlich können sie Dashboards entwickeln, die KPIs nachverfolgen, Performance analysieren oder Trends sichtbar machen, wie zum Beispiel mit unserem CLV-Modell.
Eine spannende Grundlage für Zusammenarbeit: Die Umsetzung Digitaler Produktpässe (DPPs)
Ein mögliches Feld für Kooperationen ist der Aufbau einer starken Rückverfolgbarkeit, die es Konsument:innen ermöglicht, Kleidungsdaten einzusehen…und das alles im größeren Kontext von Nachhaltigkeit. Ein praktisches Beispiel dafür sind digitale Produktpässe, kurz DPPs. Diese werden zunehmend zu einem zentralen Instrument, um Transparenz zu erhöhen, da sie jeden Schritt der Lieferkette in einem scannbaren digitalen Format nachvollziehbar machen.
Bis 2030 wird der Einsatz von DPPs für alle Kleidungsstücke, die in der Europäischen Union verkauft werden, verpflichtend sein. Analyst:innen von ABI Research prognostizieren, dass bis dahin mehr als 62,5 Milliarden DPPs für Kleidung erstellt werden. Ein Szenario, das umfangreiche Datenerfassung und -austausch erfordert. In Labels integrierte QR-Codes ermöglichen Kund:innen beispielsweise, detaillierte Informationen über die Herkunft eines Kleidungsstücks, dessen ökologische Auswirkungen (wie CO₂- und Wasserfußabdruck) sowie Pflegehinweise inklusive Reparaturanleitungen abzurufen.
DPPs als Chance zur Verbesserung der Datenstrategie
Da DPPs ohnehin verpflichtend sein werden, sollten sie als strategische Chance betrachtet werden: Die Automatisierung der Datenerfassung und -weitergabe über Produktlabels schafft vollständige Transparenz entlang des gesamten Lebenszyklus und ermöglicht es Marken, Konsument:innen präzise, faktenbasierte Informationen zu kommunizieren. Dieser Ansatz reduziert zudem den Aufwand für zeitintensive manuelle Datenerhebung oder die komplizierte Integration verschiedener Excel-Dateien und Softwaresysteme. Um DPPs Realität werden zu lassen, können Unternehmen gemeinsam die nötigen Systeme aufbauen oder modernisieren und so eine gemeinsame Grundlage für Transparenz und nachhaltige Zusammenarbeit schaffen.
Diconium und seine Rolle als Data Service Provider
Diconium hat bereits Kund:innen aus einer Vielzahl von Branchen bei ihren digitalen Transformationsinitiativen unterstützt. Für Marken, die ihre Datennutzung professionalisieren und ihre digitale Infrastruktur modernisieren wollen, hat Diconium über viele Jahre hinweg erheblichen Mehrwert geschaffen, sei es durch die Grundlagenarbeit im Datenmanagement oder die Implementierung innovativer Technologien wie Smart Search, unserer KI-gestützten Produktsuche.