Von Daten zu Design: Trends in der Modebranche vorhersagen

Von Daten zu Design: Trends in der Modebranche vorhersagen

Modeprognosen haben eine überraschend lange Geschichte. Ursprünglich im 17. Jahrhundert in Frankreich entstanden, um stilistische Neuigkeiten zu kommunizieren, entwickelte sich das Ganze schnell zu einem Werkzeug, um ganze Branchentrends vorherzusehen. Trendprognosen (auch Trendforecasts genannt) sagen gesellschaftliche Stimmungen, das Verhalten von Konsument:innen und Kaufgewohnheiten voraus und geben Marken Orientierung für zukünftige Kollektionen. In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick darauf, wie Trendprognosen traditionell erstellt werden und welche datenbasierten Ansätze es inzwischen gibt. Und wir stellen die Frage ganz ehrlich: Macht das überhaupt Sinn? Und wenn ja, wie?

Wer mit der Modebranche noch nicht so vertraut ist, sollte zunächst diese kurze Einführung lesen:

Einleitung: Was du über die Modebranche wissen musst

Die Modebranche ist ein zentraler Player in der globalen Wirtschaft und steht ständig unter Druck durch Marktveränderungen und wirtschaftliche Unsicherheiten. Obwohl sie historisch tief in traditionellem Handwerk verwurzelt ist, hat sie sich immer wieder an technologische und gesellschaftliche Veränderungen angepasst. Als eine der ältesten und dynamischsten Branchen wird die Modeindustrie heute gleichermaßen durch Big Data und digitale Innovation gestärkt wie herausgefordert. Außerdem ist sie ein hochkompetitiver Markt, in dem zahlreiche Anbieter:innen sehr ähnliche Produkte verkaufen. Charakteristisch für die Branche ist zudem die starke Segmentierung von Produkten, die aufgrund des stetigen Wechsels von Saisons und Trends extrem volatil bleiben.

In den letzten Jahrzehnten haben Globalisierung und veränderte Kundenerwartungen die Struktur und Anforderungen des Modemarkts massiv verändert. Unternehmen müssen heute komplexe Lieferketten steuern, sich wahnsinnig schnell an Trends anpassen und gleichzeitig steigende Erwartungen an Personalisierung und Nachhaltigkeit erfüllen.

Ein Modeunternehmen vereint in seiner Struktur sehr unterschiedliche Rollen: von hochkreativen bis hin zu analytischen und Management-Aufgaben. Gerade diese organisatorische Komplexität macht es schwer, die Modebranche als einheitliche Industrie zu analysieren – wir versuchen es in diesem Artikel trotzdem mal.

Wie Trends die Mode beeinflussen

Mode ist von Natur aus schnelllebig. Sie ist eine Form des Selbstausdrucks, die zugleich ästhetische, wirtschaftliche, politische, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegelt – und diese sogar mitgestaltet. Ganz gleich, ob man auf Fast Fashion, High-End-Luxus oder nachhaltige Labels blickt: Trends haben immer einen enormen Einfluss.

Eine der größten Herausforderungen für die Branche ist heute der stetige Strom neuer Trends, der den Markt extrem wettbewerbsintensiv macht. Kund:innen erwarten mittlerweile, dass neue Teile nahezu sofort in den Regalen landen, und ihre Vorlieben können sich von einem Tag auf den anderen ändern. Immer öfter wünschen sie sich Kleidungsstücke, die ihren persönlichen Stil widerspiegeln, von individuell anpassbaren Passformen bis hin zu einer großen Auswahl an Farben und Prints. Für Modeunternehmen bedeutet das oft: mit unverkaufter Ware umzugehen, die ihren Reiz verliert, sobald der nächste große Trend die Bühne betritt.

Da sich Trends im Schnitt alle 20 Jahre wiederholen (inzwischen verschiebt sich das eher auf 10–15 Jahre; man denke nur an die Ballerinas, die in den 2010ern allgegenwärtig waren und mit dem sogenannten „Balletcore“-Trend gerade ein riesiges Comeback feiern), hilft Forecasting dabei, frühzeitig zu erkennen, welche Stile zurückkehren könnten. Sein Hauptzweck: Marken einen Schritt voraus zu sein, die Nachfrage der Konsument:innen zu antizipieren und die Produktion rechtzeitig zu planen.

Same, same but different: Trendzyklen werden immer kürzer, sodass ähnliche Teile schon nach wenigen Jahren wieder auftauchen. Grafik erstellt von der Autorin; Bilder erstellt mit Midjourney.

Warum ist es so wichtig, den richtigen Trend zu treffen?

Der Designprozess gilt oft als die kreativste Phase im Lebenszyklus eines Produkts, meist angeführt von der Person, welche die Creative Direction der Marke innehat. Gleichzeitig ist es aber auch eine Phase, die enorm von datenbasierten Tools profitieren kann. Mithilfe von Big-Data-Analysen können Designer:innen frühzeitig erkennen, was der Markt wollen wird, und diese Erkenntnisse in kundenorientierte Kollektionen übersetzen. Anstatt sich nur auf den persönlichen Geschmack zu verlassen, lassen sich konkrete Details berücksichtigen, zum Beispiel beliebte Farben, Stoffe, Größen oder regionale Vorlieben. Dadurch werden Designentscheidungen präziser, effizienter und relevanter. Trifft ein Kleidungsstück den richtigen Trend, kann das den Absatz steigern und das Risiko von Überproduktion verringern, was wiederum auch die Nachhaltigkeitsziele einer Marke unterstützt. In einer so schnelllebigen Branche wie der Mode ist die Fähigkeit, Trends frühzeitig zu erkennen, ein entscheidender Erfolgsfaktor.

Wie vorhersehbar sind Trends?

Ständig neue Trends gehen Hand in Hand mit extrem kurzen Produktlebenszyklen. Gleichzeitig führen sie zu rasant wechselnden Konsumvorlieben. Das macht Modeprodukte deutlich schwerer vorherzusagen als klassische Konsumgüter und präzise Absatzprognosen besonders herausfordernd. Diese Volatilität lässt die Modebranche oft unberechenbar wirken. Dennoch zeigt die lange Geschichte der Trendprognosen, dass es durchaus funktioniert. Zumindest teilweise. Aber wie genau funktioniert es eigentlich?

Wie funktioniert traditionelles Trendforecasting?

Traditionelles Trendforecasting wird von kreativen Köpfen durchgeführt, etwa Designer:innen oder professionellen Trendanalyst:innen, die freiberuflich oder für spezialisierte Agenturen arbeiten. Dabei geht es in der Regel darum, vielfältige kulturelle und marktrelevante Daten zu sammeln. Die Expert:innen reisen dafür um die Welt, besuchen Design- und Stoffmessen, Ausstellungen, Events oder beobachten einfach aufmerksam ihre Umgebung. Je nach Ziel und persönlichen Schwerpunkten fließen Musik, neue Technologien, Social-Media-Trends und vieles mehr in ihre Arbeit ein. Anschließend übersetzen sie all diese Eindrücke in erwartete Themen, Farben, Materialien und Stile. Kreativität galt dabei lange Zeit als das Herzstück dieses Prozesses.

Der Trendforecaster WGSN hat die Farbe des Jahres 2027 bekanntgegeben: „Luminous Blue“, ein kräftiges, strahlendes Blau, das im kommenden Jahr Designwelten von Mode bis Interior maßgeblich prägen dürfte. Bild erstellt mit Midjourney.

Datenbasiertes, prädiktives Trendforecasting

Im Gegensatz dazu ermöglicht rein datenbasiertes Forecasting heute eine deutlich evidenzorientiertere und recht skalierbare Methode der Trendvorhersage und bietet damit eine Alternative zum klassischen, intuitiv geprägten Ansatz. Datenbasiertes Trendforecasting deckt ein breites Spektrum an Anwendungen ab, von Bestandsprognosen über Absatz- bis hin zu Markttrendvorhersagen. Modeunternehmen können so das Verhalten von Konsument:innen in Echtzeit antizipieren, indem sie Social-Media-Aktivitäten, Verhaltensmuster sowie externe Faktoren wie Wetter oder wirtschaftliche Rahmenbedingungen analysieren.

Um zu verstehen, wie Forecasting funktioniert, welche Technologien dabei zum Einsatz kommen und welche Rolle Daten im Prozess spielen, lohnt sich ein Blick auf Predictive Analytics – denn Forecasting ist eine Form davon. Predictive Analytics, im Deutschen auch manchmal prognostische Datenanalyse oder prädiktive Analytik genannt, analysiert historische Daten, um zukünftiges Verhalten und Ergebnisse vorherzusagen. Damit können Unternehmen proaktiver handeln. Typische Fragestellungen sind beispielsweise Prognosen zu zukünftigen Umsätzen oder Kundenzahlen. Predictive Analytics ist eine erweiterte Form der Datenanalyse, die „Was-wäre-wenn?“-Fragen stellt, um Entscheidungen zu unterstützen.

Für das Forecasting von Modetrends werden dafür verschiedene Techniken und Datenquellen genutzt, darunter Big Data, Machine Learning und künstliche Intelligenz. Diese Technologien können sowohl die Produktentwicklung als auch die strategische Planung unterstützen. In der Modebranche herrscht jedoch oft noch Unklarheit darüber, welche Rolle sie genau spielen und was mittels ihnen wirklich möglich ist.

Was ist nun besser? Eine kritische Reflexion

Der traditionelle, von Einzelpersonen geprägte Ansatz wird zunehmend dafür kritisiert, sich zu stark auf persönliche Intuition statt auf objektive Erkenntnisse zu stützen. Besonders in kleineren Unternehmen verlässt man sich nach wie vor stark auf subjektives Forecasting. In solchen Fällen kann es passieren, dass eine einzelne Trendforscherin oder ein einzelner Trendforscher Prognosen hauptsächlich auf den eigenen Geschmack, das persönliche Umfeld oder die selektive Wahrnehmung innerhalb der eigenen sozialen Bubble stützt. Das kann schnell zu Verzerrungen führen.

Doch auch der datenbasierte Ansatz bringt Schwächen mit sich, die man nicht außer Acht lassen sollte: Zwar heißt es oft, „Daten lügen nicht“, dennoch lassen sie in manchen Fällen Interpretationsspielraum. Das bedeutet, dass zwei Personen aus demselben Datensatz völlig unterschiedliche Schlüsse ziehen können, abhängig von ihren Zielen und ihrer Vorgehensweise. Ein weiteres Problem datengetriebener Trendprognosen in der Mode ist, dass sie oft stark auf Mikro-Trends wie Farben oder bestimmte Styles fokussieren und dabei größere strategische Perspektiven, etwa zur Unterstützung von Nachhaltigkeit, vernachlässigen. Angesichts wachsender Umweltprobleme muss sich die Forecasting-Branche weiterentwickeln, um nachhaltigere Geschäftsmodelle zu fördern.

Hinzu kommt die Gefahr, dass kreative Entscheidungen zunehmend oder sogar vollständig durch algorithmisch erzeugte Ergebnisse ersetzt werden. Wenn Gestaltungsprozesse nur noch von Daten und Algorithmen bestimmt werden, besteht das Risiko, dass Originalität und individuelle Handschrift einer Marke verloren gehen. Statt einzigartiger Kollektionen könnten uniforme, sich stark ähnelnde Outputs entstehen, die kaum noch Raum für echte kreative Visionen lassen. Genau das würde jedoch dem eigentlichen Wesen der Mode widersprechen, das immer auch von Vielfalt, Experimentierfreude und künstlerischem Ausdruck lebt.

Hybride Modelle als Zukunftsperspektive

Ein zeitgemäßer Ansatz besteht darin, die traditionelle, intuitionsbasierte Trendvorhersage mit einer strategischen Datennutzung zu verbinden. Dabei wird die kreative Expertise der Modebranche durch Impulse aus Bereichen wie Data Science, Nachhaltigkeit, Farbtheorie, Textilinnovation und Marktforschung ergänzt. Dieses hybride Modell berücksichtigt sowohl datenbasierte Erkenntnisse als auch „weiche Faktoren“ wie gesellschaftliche, technologische, wirtschaftliche, politische oder ökologische Veränderungen.

Indem emotionale und ästhetische Werte der Mode mit Hilfe von Menschen einbezogen werden, die über ein hohes Maß an Kreativität und ein tiefes Verständnis der Markenidentität verfügen, und diese zugleich durch datengestützte Geschäftsstrategien sowie moderne Trendforecasting-Tools aus der Data-Science-Praxis unterstützt werden, lässt sich eine ausgewogene Zusammenarbeit schaffen. So können Modeunternehmen ihre kreative Einzigartigkeit erhalten und gleichzeitig die Vorteile nutzen, die datenbasierte Analysen für bessere Planung, effizientere Abläufe und mehr Nachhaltigkeit bieten.

Zusammenfassung

Forecasting unterstützt nicht nur dabei, aufkommende Trends zu erkennen, sondern trägt auch zur strategischen Planung, Markenpositionierung und Erweiterung der Produktlinien bei. Modeunternehmen sollten dabei stets darauf achten, eine Balance zwischen datenbasierter Trendanalyse und kreativer Originalität zu finden, um ihre einzigartige Wertigkeit zu bewahren und nicht in einem Meer generischer Produkte unterzugehen. Die Nutzung sowohl interner als auch externer Daten kann helfen, frühe Signale neuer Trends zu identifizieren, sollte die Kreativität als Kern der Markenidentität jedoch niemals vollständig ersetzen.

Bei Diconium wissen wir, dass Unternehmen bereits über hohe kreative Kompetenz verfügen, aber oft Schwierigkeiten haben, unterstützende, datenbasierte Technologien nahtlos zu integrieren. Deshalb haben wir unser eigenes Time Series Forecasting Toolkit entwickelt. Durch die Kombination von fortgeschrittenem Machine Learning und KI-gestützten Insights mit einer intuitiven No-Code-Plattform ermöglicht es Führungskräften, schnell von Daten zu Entscheidungen zu gelangen, und macht intelligentes Forecasting für alle zugänglich.


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