Frei und Open-Source: Lizenzen und Regulierung von KI-Technologien (Teil 2/3)

Frei und Open-Source: Lizenzen und Regulierung von KI-Technologien (Teil 2/3)

Im ersten Teil dieser Serie…

…haben wir einen allgemeinen Überblick über freie und Open-Source-Lizenzen gegeben. In diesem Teil werfen wir nun einen genaueren Blick auf die neuesten rechtlichen Definitionen und Auswirkungen der Regelungen. Außerdem klären wir, welche möglichen Folgen FOSL (Free and Open-Source Licensing) für KI-Technologien haben kann.

Einführung

Angenommen, du entwickelst KI-Technologien. Vielleicht möchtest du solche Technologien einfach in deinem Unternehmen einsetzen. Oder du willst bereits bestehende KI-Komponenten anpassen und für deine eigenen Anwendungsfälle weiterentwickeln. Warum solltest du dich dann mit freien und Open-Source-Lizenzen beschäftigen?

In dieser Blogserie beantworten wir einige zentrale Fragen zu einem Thema, das in der Debatte um KI-Regulierung und -Einsatz in Europa und anderswo bisher wenig Beachtung gefunden hat. Unser Fazit: Du solltest dich mit freien und Open-Source-Lizenzen (FOSL) beschäftigen, wenn du z. B. deine Technologie teilen, aber deine IP-Rechte wahren und gleichzeitig bestimmte ethische Anforderungen durchsetzen willst. Oder auch, wenn du eine Komponente mit Open-Source-Lizenz in dein System integrieren möchtest.

Warum solltest du dich mit Open Licensing befassen?

Auch als Endnutzer:in von KI-Werkzeugen, die unter einer offenen Lizenz veröffentlicht wurden, ist Open Licensing für dich relevant. Öffentliche (im Sinne von „offene”) Lizenzen erfordern keinen direkten Kontakt mit der Person, welche die Rechte besitzt. Sie bieten sowohl Entwickler:innen als auch Nutzer:innen eine interessante Handlungsmöglichkeit – mit wichtigen rechtlichen, vertraglichen und strategischen Implikationen für alle Beteiligten.     

Doch was genau sind freie und Open-Source-Lizenzen, und was haben sie mit KI zu tun? Welche Auswirkungen haben sie auf dein geistiges Eigentum als Entwickler:in oder auf deine Handlungsspielräume als Nutzer:in? Welche Lizenzmodelle gibt es, und welches davon passt zu deinem Vorhaben? Welche Vorteile bringt eine offene Lizenzierung für KI-Tools, etwa im Hinblick auf die Einhaltung des EU AI Act?

Diese Blogserie soll etwas Licht ins Dunkel bringen und dir helfen, herauszufinden, ob und warum freie und Open-Source-Lizenzen für dich relevant sein könnten.

Wie geht man mit freien und Open-Source-lizenzierten Produkten um und wie bewertet man sie?

Die rechtlichen Folgen von Open-Source-Lizenzen wirken oft komplex – wir helfen dir dabei, durchzusehen. Bild erstellt mit MidJourney.

Um die rechtlichen Auswirkungen der Nutzung freier und Open-Source-Lizenzen (FOSL) in einer konkreten Situation zu bewerten, sollte man von Anfang an mehrere Punkte beachten:

-> Was ist der Gegenstand und welches Schutzrecht könnte darauf anwendbar sein?

Beispielsweise, wenn der Gegenstand Software ist, die im Sinne des geltenden Urheberrechts ausreichend original oder kreativ ist, so ist diese Software automatisch urheberrechtlich geschützt. Folglich hat der/die Urheber:in zunächst exklusive Rechte gegenüber Dritten, die die Software vervielfältigen, bearbeiten und/oder weiterverbreiten wollen, vorbehaltlich einiger, tendenziell eng auszulegender,  gesetzlicher Ausnahmen.

-> Benötige ich eine Lizenz für die rechtmäßige Nutzung des Gegenstands (hier: Software) und wenn ja, welche Optionen habe ich?

In unserem Beispiel unterliegt das Werk dem Urheberrecht. Sofern die Nutzung nicht unter eine spezifische Ausnahme fällt (Art. 5 der Richtlinie 2001/29/EG listet Ausnahmen auf, die im harmonisierten EU-Urheberrecht zulässig sind; später wurde die Liste durch die Richtlinie (EU) 2019/790 etwas erweitert), ist eine individuelle Erlaubnis des Rechteinhabers oder der Rechteinhaberin erforderlich. Daher muss man diese Person ausfindig machen und eine Lizenz einholen, um rechtmäßig Handlungen vorzunehmen, die von den ausschließlichen Rechten umfasst sind. Wurde die Software jedoch unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht, ist kein individueller Vertrag mit dem Inhaber oder der Inhaberin notwendig. Es genügt, die Bedingungen der Lizenz einzuhalten, unter denen die gewünschte Nutzung gestattet ist.

-> Wenn eine Open-Source-Lizenz gilt – was bedeutet das (rechtlich)?

Es gibt viele verschiedene Open-Source-Lizenzen aus unterschiedlichen Quellen. Diese Lizenzen sind so gestaltet, dass sie verschiedene Bereiche und Komponenten abdecken und bestimmte Interessen der Rechteinhabenden unter spezifischen Bedingungen durchsetzen. Diese heterogene Struktur und das Fehlen einer einzigen Instanz, die zentrale Begriffe (wie die Definition einer freien/offenen Lizenz sowie die erlaubten Handlungen und Einschränkungen) festlegt, erfordern ein umfassendes Verständnis der Optionen und ihrer rechtlichen Auswirkungen für die beteiligten Parteien.

In vielen Fällen weisen mehrere oder alle fünf der folgenden Merkmale (z. B. bei den GPL-Lizenzen) eine FOSL auf:

(1) Die Freiheit, die unter der Lizenz erlaubten Handlungen trotz exklusiver Schutzrechte durchzuführen (das „Freiheitsprinzip“);

(2) die Verpflichtung, im Falle einer Weiterverbreitung den Gegenstand oder eine modifizierte Version davon der Öffentlichkeit zu denselben oder im Wesentlichen ähnlichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen, unter denen der Lizenznehmer oder die Lizenznehmerin ursprünglich Zugriff erhalten hat (das „share-alike“-Prinzip);

(3) die Lizenzbedingungen sind öffentlich zugänglich und gelten für alle gleichermaßen (die „öffentliche“ Natur der Lizenz);

(4) eine Verletzung der Lizenzbedingungen durch eine Person in der Vertriebskette führt zur Wiederherstellung der Exklusivität der Schutzrechte und gilt als Rechtsverletzung durch die verletzende Partei (das „Copyleft“-Prinzip);

(5) eine solche Rechtsverletzung „infiziert“ auch alle weiteren Nutzungen durch nachfolgende Lizenznehmer:innen (der sogenannte „Viral-Effekt“).

Einige Open-Source-Lizenzen enthalten das Copyleft-Element nicht, zum Beispiel die MIT– oder die Apache-2.0-Lizenz. Wo das Copyleft-Prinzip greift, kann eine Lizenzverletzung zu einem ernsthaften Problem werden. Man möchte keinesfalls in eine Situation einer Rechtsverletzung geraten, selbst wenn die Verletzung versehentlich oder unwissentlich erfolgt, etwa weil die genutzte Technologie durch eine frühere Verletzung „infiziert“ ist. Daher müssen die Lizenznehmer:innen sicherstellen, dass sie eine legitime Version verwenden, die Lizenzbedingungen genau verstehen und sich der Risiken und Konsequenzen einer Verletzung bewusst sind.

Was sind die möglichen Auswirkungen von FOSL auf KI-Technologien?

Einem zentralen Punkt liegt die gesamte Diskussion zugrunde: Konzepte und Definitionen aus dem Universum des Immaterialgüterrechts (IP-Recht) sind nicht grundsätzlich mit den Konzepten und Definitionen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) aufeinander abgestimmt. Das IP-Recht definiert – jeweils durch Einzelgesetze – mit mehr oder weniger Genauigkeit und Präzision seinen Schutzgegenstand: Das Urheberrecht definiert das urheberrechtlich geschützte Werk, das Patentrecht die patentfähige Erfindung, und so weiter. FOSL hat sich historisch entlang dieser IP-Definitionen und der Funktionsweise der damit verbundenen ausschließlichen Rechte entwickelt.

Demgegenüber steht das KI-Recht noch ganz am Anfang. Es ist durchaus zutreffend zu sagen, dass viele seiner grundlegenden Konzepte noch keiner einheitlichen Auslegung unterliegen. Der Begriff „KI-Technologien“, den wir hier verwenden, bezieht sich lose auf Dinge wie KI-Modelle und KI-Systeme sowie andere Komponenten des maschinellen Lernens, etwa Trainingsdaten, Metadaten, den Code, der das Modell ausführt, Dokumentation usw. Für diese KI-Komponenten verbindliche rechtliche Definitionen zu finden, ist nicht immer einfach – oder überhaupt möglich. Das stellt nicht nur Juristinnen und Juristen, sondern alle, die zu verstehen versuchen, ob und wie bestehende Regelungen auf diese Komponenten anwendbar sind, vor erhebliche Herausforderungen.

Definitionen und Regelungen im EU AI Act

Der EU AI Act liefert Definitionen zentraler Begriffe – doch was genau darunter fällt, ist oft Auslegungssache. Bild erstellt mit MidJourney.

In Europa enthält der EU AI Act (AIA) Definitionen zu einer Reihe grundlegender Begriffe, darunter „KI-System“ (Art. 3 (1) AIA), bestimmte Datenkategorien (Art. 3 (29)–(34) AIA) sowie „KI-Modell mit allgemeinem Verwendungszweck“ (Art. 3 (63) AIA). Wenn man diese Definitionen genau analysiert, wird deutlich: Es könnte sein, dass bestimmte Arten von Immaterialgüterrechten (IP) durch das jeweilige System, Modell oder die verwendeten Daten berührt werden – möglicherweise sind sogar mehrere IP-Kategorien relevant, möglicherweise aber auch keine.

Um diese Uneinheitlichkeit zu verdeutlichen, lohnt sich ein genauerer Blick auf den grundlegenden Begriff des „KI-Modells“. Interessanterweise enthält der EU AI Act keine Definition dieses allgemeinen Begriffs, sondern ausschließlich eine Legaldefinition in Artikel 3(63) der spezifischeren Kategorie des „KI-Modells mit allgemeinem Verwendungszweck“ (GPAI):

„KI-Modell mit allgemeinem Verwendungszweck“ [ist] ein KI-Modell — einschließlich der Fälle, in denen ein solches KI-Modell mit einer großen Datenmenge unter umfassender Selbstüberwachung trainiert wird —, das eine erhebliche allgemeine Verwendbarkeit aufweist und in der Lage ist, unabhängig von der Art und Weise seines Inverkehrbringens ein breites Spektrum unterschiedlicher Aufgaben kompetent zu erfüllen, und das in eine Vielzahl nachgelagerter Systeme oder Anwendungen integriert werden kann, ausgenommen KI-Modelle, die vor ihrem Inverkehrbringen für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten oder die Konzipierung von Prototypen eingesetzt werden.”

Diese Definition einer Unterkategorie von KI-Modellen erklärt offensichtlich den allgemeinen Begriff des „KI-Modells“ nicht ausreichend. Mit anderen Worten: Es gibt in dieser Gesetzgebung keine eigenständige Definition eines Modells. Das Fehlen einer solchen allgemeinen Definition könnte zu dem Schluss führen, dass KI-Modelle, die weder unter die oben genannte GPAI-Definition fallen noch in ein KI-System integriert sind, außerhalb des Anwendungsbereichs des AI Acts liegen. Gleichzeitig gilt: Um eine Verbindung zwischen KI-Modellen und Immaterialgüterrechten herzustellen, brauchen wir ein besseres Verständnis davon, was ein KI-Modell eigentlich ist.

Was also ist ein KI-Modell?

Es gibt viele, meist kontextabhängige Versuche, den Begriff des KI-Modells zu definieren. Ein Beispiel bietet die Norm ISO/IEC 22989:2022 (Information technology — Artificial intelligence — Artificial intelligence concepts and terminology), die folgende Definition vorschlägt:

“3.3.7 machine learning model

mathematical construct that generates an inference (3.1.17) or prediction (3.1.27) based on input data or information

EXAMPLE:

If a univariate linear function (y = θ0 + θ1x) has been trained using linear regression, the resulting model can be y = 3 + 7x.

Note 1 to entry: A machine learning model results from training based on a machine learning algorithm (3.3.6).”

Für IP (Intellectual Property)-Juristinnen und -Juristen ist eine solche Definition nicht besonders hilfreich, wenn sie feststellen wollen, welche Immaterialgüterrechte im Modell verkörpert sind (und das liegt nicht nur daran, dass Jurist:innen bekanntlich keine großen Mathematiker:innen sind …). Gleichzeitig ist die Identifikation von IP aber entscheidend, um das Funktionieren von FOSL zu verstehen. Es kann durchaus sein, dass ein bestimmtes Modell durch keine der gängigen IP-Rechtsformen geschützt ist – etwa, wenn es im Wesentlichen aus nicht urheberrechtsfähigen und nicht patentierbaren Elementen wie Gewichtungen und Metadaten besteht.  Wissenschaftler:innen haben auf das Problem der fehlenden Durchsetzbarkeit von FOSL hingewiesen, wenn kein Schutzrecht im Spiel ist, etwa wenn man versucht, Gewichtungen oder Ausgaben (Outputs) abzudecken. Kurz gesagt: Die Existenz – oder das Fehlen – eines Immaterialgüterrechts hat erheblichen Einfluss auf Geltung, Reichweite und rechtliche Wirkung freier und Open-Source-Lizenzen.

Wie wäre es mit einem kurzen Beispiel?

Nehmen wir an, ein bestimmtes Modell wird der Öffentlichkeit unter einer Open-Source-Lizenz zur Verfügung gestellt, die die Vervielfältigung, Modifikation und Weiterverbreitung kostenlos erlaubt. Allerdings muss die Weiterverbreitung, sowohl des ursprünglichen als auch eines modifizierten Modells, ebenfalls kostenlos und unter denselben Lizenzbedingungen erfolgen (Share-Alike-Prinzip).

Unternehmen A vervielfältigt das Modell und verändert es. Anschließend integriert es die modifizierte Version in ein neues, proprietäres KI-System und bietet dieses Unternehmen B unter einer neuen Lizenz an, die Lizenzgebühren vorsieht und ein exklusives Urheberrecht über das gesamte System beansprucht. Unternehmen B wiederum vergibt eine Unterlizenz an Unternehmen C, das das System an seine eigenen Bedürfnisse anpasst und seinen Endkund:innen eine Nutzungsgebühr für das fertige, cloudbasierte Produkt berechnet.

Unternehmen A könnte gegen die ursprüngliche Lizenz verstoßen haben, indem es eine modifizierte Version des Modells in ein proprietäres KI-System eingebettet hat. Die rechtlichen Konsequenzen für Unternehmen B und C gegenüber der Partei, die das Modell ursprünglich entwickelt hat, hängen jedoch entscheidend davon ab, ob ein zugrundeliegendes Schutzrecht (z. B. Urheberrecht am ursprünglichen Modell) existiert oder nicht.

Zusammenfassend kann man also sagen: Um die Frage nach den anwendbaren Immaterialgüterrechten (IP) zu beantworten, muss jede KI-Komponente und jedes KI-System einzeln bewertet werden. Erst danach lässt sich klären, wie Mechanismen freier und Open-Source-Lizenzen – etwa Share-Alike, Copyleft oder virale Lizenzverletzungen – verschiedene Akteure in der Vertriebskette betreffen könnten.

Bezieht sich die KI-Regulierung (hier: der EU AI Act) ausdrücklich auf FOSL?

Wir haben bereits gesehen, dass der EU AI Act bestimmte Definitionen für Komponenten und Systeme der KI-Technologie enthält. Den Verfassenden dieser Gesetzgebung war bewusst, dass KI-Technologien unter freie und Open-Source-Lizenzen (FOSL) gestellt werden können, und tatsächlich verweist der AI Act in mehreren Passagen explizit auf FOSL. Am wichtigsten ist dabei Artikel 2(12) AIA, der FOSL-Systeme grundsätzlich vom Anwendungsbereich des AI Actsausnimmt, allerdings unter zwei Ausnahmen:

„Diese Verordnung gilt nicht für KI-Systeme, die unter freien und quelloffenen Lizenzen bereitgestellt werden, es sei denn, sie werden als Hochrisiko-KI-Systeme oder als ein KI-System, das unter Artikel 5 oder 50 fällt, in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen.”

Das bedeutet: Abgesehen von Hochrisiko-KI-Systemen (wie sie in Kapitel III des AI Acts definiert und geregelt sind), können Entwickler:innen ihre Systeme unter einer freien und Open-Source-Lizenz (FOSL) zur Verfügung stellen – und es dadurch dem Anwendungsbereich der Regulierung entziehen, sofern:

  • das System nicht nach Artikel 5 ausdrücklich verboten ist, und
  • das System nicht unter eine der Kategorien des Artikels 50 fällt (z. B. wenn das System direkt mit natürlichen Personen interagiert, synthetische Inhalte wie Audio, Video oder Text generiert oder zur Emotionserkennung oder biometrischen Kategorisierung eingesetzt wird, um nur einige Beispiele zu nennen).

Wenn du ein allgemeines KI-Modell (GPAI) unter einer freien Lizenz bereitstellest,

„die den Zugang, die Nutzung, die Änderung und die Verbreitung des Modells ermöglicht und [sein] Parameter, einschließlich Gewichte, Informationen über die Modellarchitektur und Informationen über die Modellnutzung, öffentlich zugänglich gemacht werden”,

dann musst du bestimmte Dokumentations- und Transparenzpflichten nicht erfüllen – vorausgesetzt, dein Modell gilt nicht als KI-Modell mit allgemeinem Verwendungszweck mit systemischen Risiken per Artikel 53(2) iVm Artikel 3(63)-(65) AIA.

Eine weitere Ausnahme betrifft die Verpflichtung von GPAI-Anbietenden mit Sitz außerhalb der EU, schriftlich eine in der Union niedergelassene bevollmächtigte Person zu benennen. Diese Pflicht gemäß Artikel 54 AI Act entfällt gemäß Artikel 54(6) unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls.

FOSL hebt Unterstützungs­pflichten für KI-Drittanbietende auf

Ein weiterer Vorteil für Anbietende von KI-Systemen, Instrumenten, Diensten oder Komponenten oder Verfahren  (ausgenommen GPAI) im Zusammenhang mit der Integration in Hochrisiko-KI-Systeme findet sich in Artikel 25(4) AIA: Wenn FOSL verwendet wird, sind solche Drittanbietende von der Pflicht befreit, durch eine schriftliche Vereinbarung „die Informationen, die Fähigkeiten, den technischen Zugang und die sonstige Unterstützung nach dem allgemein anerkannten Stand der Technik fest[zustellen], die erforderlich sind, damit der Anbieter des Hochrisiko-KI-Systems die in dieser Verordnung festgelegten Pflichten vollständig erfüllen kann“.

Die Erwägungsgründe des AI Acts erklären, warum FOSL besonders behandelt wird

Erwägungsgrund 102 hebt die Bedeutung von FOSL und dessen Beitrag zu Forschung, Innovation und wirtschaftlichem Wachstum hervor. Außerdem erklärt er, wie FOSL im Rahmen dieser speziellen Gesetzgebung verstanden wird:

„KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck, die im Rahmen freier und quelloffener Lizenzen freigegeben werden, sollten als ein hohes Maß an Transparenz und Offenheit sicherstellend gelten, wenn ihre Parameter, einschließlich Gewichte, Informationen über die Modellarchitektur und Informationen über die Modellnutzung, öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Lizenz sollte auch als freie quelloffene Lizenz gelten, wenn sie es den Nutzern ermöglicht, Software und Daten zu betreiben, zu kopieren, zu verbreiten, zu untersuchen, zu ändern und zu verbessern, einschließlich Modelle, sofern der ursprüngliche Anbieter des Modells genannt und identische oder vergleichbare Vertriebsbedingungen eingehalten werden.”

Laut Erwägungsgrund 102 muss ein offenes Modell bestimmte zentrale Parameter offenlegen (kein Schutz durch Geschäftsgeheimnisse, keine digitalen Schutzmaßnahmen) und den Zugang, die Nutzung und die Weiterverbreitung erlauben (kein Ausschließlichkeitsanspruch durch IP-Rechte).

Interessanterweise stellt Erwägungsgrund 103 klar, dass die Monetarisierung von KI-Komponenten – wie Software, Daten, Tools, Diensten oder Prozessen für ein KI-System – mit wenigen Ausnahmen dazu führt, dass diese Komponenten nicht mehr unter die oben genannten Ausnahmen fallen.

Erwägungsgrund 104 erläutert den Hintergrund der Ausnahme in Artikel 53 AIA in Bezug auf bestimmte Transparenzpflichten: Es wird davon ausgegangen, dass GPAI-Modelle, die unter FOSL veröffentlicht werden, der Öffentlichkeit bereits Parameter offenlegen, darunter etwa Gewichtungen, Informationen zur Modellarchitektur und zur Modellanwendung, und daher für Ausnahmen bei den transparenzbezogenen Anforderungen an allgemeine KI-Modelle in Betracht kommen.

EU klärt FOSL-Kriterien für Ausnahmen von GPAI-Modellen im AI Act

Die neuen EU-Leitlinien konkretisieren, was Anbieter von GPAI-Modellen unter Open-Source-Lizenzen künftig einhalten müssen. Bild erstellt mit MidJourney.

Die Europäische Kommission hat kürzlich eine gezielte Konsultation eingeleitet, um ihre Bemühungen zur Ausarbeitung von Leitlinien zu unterstützen, die den Anwendungsbereich der Regulierung in diesem Bereich klären sollen. Die endgültige Fassung der Leitlinien, die am 18.07.2025 veröffentlicht wurde, enthält mehrere wesentliche Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf. Grundsätzlich sind von der EU-Kommission veröffentlichte „Leitlinien“ (Guidelines) rechtlich nicht so verbindlich wie das Hauptgesetz (AIA) selbst. Sie bieten dennoch wichtige Klarstellungen, die in der Praxis voraussichtlich vom Europäischen KI-Büro beachtet werden, zumal wenn die EU-Kommission/das EU AI Office die ausschließliche Zuständigkeit für die Durchsetzung der Vorschriften in Bezug auf GPAI-Modelle besitzt (Leitlinien, Rn. 6). Dementsprechend sollen die Leitlinien in unserem Kontext die Pflichten von Anbietern von GPIA-Modellen unter offenen Lizenzen, denen sie gemäß dem AIA nachkommen müssen, weiter verdeutlichen. Unter anderem beabsichtigen die Leitlinien, die zentralen Begriffe zu erklären, die den Bestimmungen des AIA über GPAI-Modelle zugrunde liegen.

Klarstellung des Anwendungsbereichs und der rechtlichen Wirkung der FOSL-Ausnahmen

Abschnitt 4 der Leitlinien ist GPAI-Modellen gewidmet, die unter einer freien und Open-Source-Lizenz veröffentlicht werden, insbesondere im Hinblick auf die zuvor erwähnten Ausnahmen hinsichtlich der Dokumentationspflichten und der Benennung eines bevollmächtigten Vertreters. Es wird auf den Anwendungsbereich der FOSL-Ausnahmen (Abschnitt 4.1) sowie auf die Voraussetzungen für deren Anwendung (Abschnitt 4.2) eingegangen.

Im Hinblick auf den Anwendungsbereich betonen die Leitlinien, dass Anbieter von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck, die die in Abschnitt 4.2 genannten Voraussetzungen erfüllen, nicht von der Verpflichtung gemäß Artikel 53 Absatz 1 Buchstabe c des KI-Gesetzes befreit sind, eine Richtlinie zur Einhaltung des Unionsurheberrechts zu implementieren. Allerdings besteht keine generelle Verpflichtung zur Offenlegung der Trainingsdaten. Ansonsten, bei GPIA-Modellen ohne systemisches Risiko, entbindet Artikel 53 Absatz 1 Buchstabe a deren Anbieter von der Pflicht, bestimmte Dokumentationen für eine Bereitstellung auf Anfrage gegenüber dem KI-Büro und den zuständigen nationalen Behörden zu erstellen und zu aktualisieren. Artikel 53 Absatz 1 Buchstabe b befreit solche Anbieter darüber hinaus von der Pflicht, bestimmte Dokumentationen und Informationen zur Integration des Modells in KI-Systeme bereitzuhalten und verfügbar zu machen.

Neue Klarstellungen zu zentralen Begriffen und Voraussetzungen

Der Teil über die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Ausnahmen enthält wichtige, teils neue Klarstellungen zu zentralen Begriffen und Konzepten, von denen einige nachfolgend kurz aufgeführt werden:

Lizenz

Laut Leitlinien sollte eine freie und Open-Source-Lizenz als eine Lizenzform verstanden werden, die das Urheberrecht nutzt, um eine weite Verbreitung des Modells zu ermöglichen und die Weiterentwicklung zu fördern. (Rn. 77). Die ausschließliche Bezugnahme auf das Urheberrecht (“form of licensing that makes use of copyright to allow wide dissemination”) ist etwas überraschendund steht im gewissen Widerspruch zu einem weiteren Verständnis von FOSL in Bezug auf Schutzobjekte des Immaterialgüterrechts sowie zu Rn. 80 derselben Leitlinien, die in einer Stelle auf „geistige Eigentumsrechte“ Bezug nimmt (“provider will not use their intellectual property rights…”).

Offen geteilt

Die Lizenz muss dem Lizenznehmer alle vier Rechte einräumen: Zugang, Nutzung, Modifikation und Weiterverbreitung: “If one of these rights (i.e. rights to access, use, modify, and redistribute) is missing, the licence cannot be considered free and open-source under the AI Act.” (Rn. 78).

Zugang

Der freie Zugang muss ohne jede Zahlungsverpflichtung oder andere Beschränkungen gewährt werden – vorbehaltlich engerer sicherheitsbezogener Ausnahmen (Rn. 79).

Nutzung

Rn. 80 führt aus: Nutzung bedeutet, dass die Lizenz garantiert, dass der ursprüngliche Anbieter seine geistigen Eigentumsrechte nicht dazu verwendet, die Nutzung des Modells zu beschränken oder eine Gebühr für dessen Nutzung zu erheben. Die Lizenz sollte die Nutzung des Modells ohne weitere Einschränkungen zulassen, abgesehen von Bedingungen hinsichtlich der Urheberbenennung und der Weitergabe des Modells oder abgeleiteter Werke unter denselben oder vergleichbaren Lizenzbedingungen.

Weiterverbreitung (“distribution”)

Besonders interessant ist, dass das Konzept der Weiterverbreitung nicht vorsieht, dass sämtliche in der originären FOSL genannten Rechte „mit der Lizenz einhergehen“ und für alle nachgelagerten Nutzer gelten. Die in der Lizenz vorgesehenen Beschränkungen hinsichtlich der Namensnennung und dem Anbringen eines Urheberrechtshinweises werden häufig auch für nachgelagerte Nutzer verwendet. Allerdings: Nach Auffassung der Kommission sollte anscheinend der Empfänger des lizenzierten Modells in der Lage sein, dieses zu modifizieren und das daraus resultierende abgeleitete Werk unter anderen Lizenzbedingungen, einschließlich proprietärer Closed-Source-Lizenzen, weiterzugeben, ohne, dass dies den nach Rn. 80 zulässigen Einschränkungen entgegensteht. (Rn. 82). Die Formulierung „sollte“ (“should be able to”) weist darauf hin, dass weitergehende Beschränkungen, wie etwa eine vollständige „Share-Alike“-Vorgabe zur Weiterverbreitung unter einer Open-Source-Lizenz, möglicherweise nicht akzeptabel sind. Dies könnte ein erheblicher Anreiz für bestimmte Anbieter sein, auf die Nutzung offener Lizenzen grundsätzlich zu verzichten.


Weitere, ausdrücklich von der FOSL-Definition der Leitlinien ausgeschlossene Einschränkungen betreffen nicht-kommerzielle Nutzung, Verbote der Weiterverbreitung, Nutzungsbeschränkungen, die durch Schwellenwerte bei der Anzahl der Nutzer ausgelöst werden, sowie Anforderungen, für bestimmte Anwendungsfälle gesonderte kommerzielle Lizenzen zu erwerben (Rn. 83).

Die Leitlinien enthalten zudem eine ausführliche Erläuterung zu den Anforderungen eines fehlenden Monetarisierungszwecks in Abschnitt 4.2.2. Hier lohnt es sich, einen Abschnitt aus Rn. 87, insbesondere mit Blick auf die langjährige Debatte über personenbezogene Daten als Gegenleistung/Entgelt in Transaktionen mit Datensubjekten, zu zitieren:

“While fully recognising that the protection of personal data is a fundamental right and that therefore personal data cannot be considered a commodity or monetised, access, use, modification, or redistribution of the model requiring the collection or otherwise processing of personal data should be treated in same manner as monetisation strategies, unless that processing is exclusively and strictly limited to the security of the model and without any commercial or financial gain. In any event, the processing of personal data should comply with the rules under Union data protection law.” (para 87)

Darüber hinaus gehen die Leitlinien auf die Pflicht ein, die Parameter des Modells öffentlich zugänglich zu machen, einschließlich der Gewichte, Informationen zur Modellarchitektur und zur Nutzung des Modells (Rn. 90-92).

Ethische Klauseln in Open-Source-KI: Eine Gefahr für den FOSL-Status?

Eine spannende Frage, auf die hier jedoch nicht im Detail eingegangen werden kann, ist, ob zusätzliche Nutzungsbeschränkungen in der Lizenz – beispielsweise im Sinne des „Do-No-Harm“-Prinzips – den Status eines GPIA-Modells als „frei und Open Source“ gefährden. Diese Frage stellt sich, da die Auslegung der Kommission zu „zulässigen“ Beschränkungen in der FOSL offenbar recht restriktiv ist. Es gibt keinen ausdrücklichen Verweis auf ethische Beschränkungen, doch würden die Leitlinien spezifische, sicherheitsorientierte Bedingungen zulassen, die die Nutzung in Anwendungen oder Bereichen, in denen die Nutzung ein erhebliches Risiko für die öffentliche Sicherheit, den Schutz oder die Grundrechte darstellen würde, angemessen einschränken. (Rn. 84).

Einige der wichtigsten Erkenntnisse lassen sich in folgendem Diagramm zusammenfassen:

Wann und wie der EU AI Act auf KI-Systeme und GPAI-Modelle unter freier und Open-Source-Lizenz (FOSL) angewendet wird, einschließlich der Bedingungen für Ausnahmen. Grafik erstellt von Zohar Efroni.

Freiwilliger Verhaltenskodex der EU für GPAI-Modelle: Chancen und Herausforderungen für die Einhaltung bei Open Source

Zum Abschluss dieses Abschnitts noch ein paar Anmerkungen zum kürzlich von der EU-Kommission veröffentlichten freiwilligen Verhaltenskodex (Code of Practice, CoP) für GPAI-Modelle: Die aktuelle Version umfasst drei Kapitel, die sich jeweils auf Transparenz, Urheberrecht sowie Sicherheit und IT-Security konzentrieren. Einige Aussagen im CoP deuten darauf hin, dass es für Unternehmen, die ihre GPAI-Modelle unter einer freien und Open-Source-Lizenz anbieten, einfacher sein sollte, die Vorgaben mit weniger zusätzlichem Aufwand einzuhalten, was jedoch nicht immer zutrifft.

Das Kapitel zur Transparenz greift Artikel 53(2) des AI Acts auf, der bestimmte Anforderungen an technische Dokumentation und Informationspflichten gegenüber denjenigen stellt, die das GPAI-Modell in ihre KI-Systeme integrieren. Es stellt klar, dass (bestimmte) Transparenzmaßnahmen, die im Verhaltenskodex verlangt werden, nicht für Anbieter von General-Purpose-KI-Modellen gelten, die unter einer freien und Open-Source-Lizenz veröffentlicht wurden und die in dieser Vorschrift genannten Bedingungen erfüllen, es sei denn, das Modell stellt ein General-Purpose-KI-Modell mit systemischem Risiko dar.

Im Kapitel zum Urheberrecht verpflichten sich die Unterzeichnenden des Verhaltenskodex unter Maßnahme 1.4.(1)(b) im Fall von General-Purpose-KI-Modellen, die unter freien und Open-Source-Lizenzen veröffentlicht wurden, die Nutzende in der die Modelle begleitenden Dokumentation auf das Verbot urheberrechtsverletzender Nutzungen des Modells hinzuweisen, ohne die freie und Open-Source-Natur der Lizenz zu beeinträchtigen. Dabei geht es nicht darum, die Urheberrechte der Person (falls vorhanden), die das Modell entwickelt hat, abzusichern. Vielmehr soll das Risiko verringert werden, dass ein nachgelagertes KI-System, das das Modell nutzt, Ausgaben erzeugt, die möglicherweise das Urheberrecht Dritter verletzen. Das Kapitel wirft aber auch die Frage auf, ob das Verbot urheberrechtsverletzender Ausgaben tatsächlich Teil der rechtlichen Nutzungsbedingungen der FOSL sein sollte. Die wahrscheinlichere Interpretation ist jedoch, dass gemeint ist, zusätzliche Informationen zu geben, die außerhalb der rechtlichen Lizenzbedingungen liegen, welche die Nutzung des Modells zwischen Anbieter und Nutzer regeln.

In Teil 3 dieser Serie…

…werden wir untersuchen, welche Möglichkeiten FOSL für KI-Technologien bietet und was FOSL für dich als Entwickler:in oder als nachgelagerter User bedeutet. Außerdem fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse zusammen. Bleib dran für den letzten Teil dieser Serie!


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