Datenkompetenz (Data Literacy): ein Überblick

Datenkompetenz (Data Literacy): ein Überblick

16 Mai 2024

In einer Welt, in der alles und jeder in jeder Sekunde Daten erzeugt, ist Datenkompetenz (Data Literacy) eine Schlüsselqualifikation, um in der Arbeitswelt zu bestehen. Zahlreiche Umfragen zeigen, dass es vielen Unternehmen und Menschen schwer fällt, Daten zu verstehen, zu verarbeiten, zu analysieren und mit ihnen zu argumentieren. Gleichzeitig besteht große Motivation, diese Fähigkeiten zu erlernen.

Datenkompetenz ist ein Bündel von Soft- und Hard Skills, das befähigt, Daten zu verstehen und Entscheidungen auf der Grundlage von Daten zu treffen. Zur Datenkompetenz gehören auch Datenethik und Datenqualität, die das Konzept vervollständigen und ebenfalls in diesem Artikel Thema sind.

Eine Studie von Qlik zum Thema Datenkompetenz zeigt den Status Quo:

  • Datenkompetenz in Unternehmen ist ausbaufähig: Nur 24 % der befragten Entscheidungsträger in Unternehmen haben volles Vertrauen in ihre Fähigkeit, Daten zu verstehen, mit ihnen zu arbeiten, sie zu analysieren und mit ihnen zu argumentieren. 32 % des C-Levels werden als datenkompetent angesehen, was möglicherweise verhindert, Mitarbeiter:innen zu mehr Datenkompetenz zu ermutigen.
  • Künftige Mitarbeiter sind nicht ausreichend auf datengesteuerte Arbeitsplätze vorbereitet: Nur 21 % der 16- bis 24-Jährigen verfügen über Datenkenntnisse, was auf eine Lücke in der Schul- und Universitätsausbildung schließen lässt.
  • Unternehmen entgehen Wettbewerbsvorteile aufgrund fehlender Datenkompetenz: 85 % der Personen mit Datenkenntnissen schätzen ihre Arbeitsleistung als sehr gut ein, verglichen mit 54 % der Gesamtbelegschaft.
  • Daten sind der Schlüssel zu beruflicher Glaubwürdigkeit: 94 % der Befragten, die in ihrer derzeitigen Funktion Daten nutzen, sind der Meinung, dass Daten sie effektiver machen.
  • Die Lernbereitschaft ist groß: 78 % der Entscheidungsträger in Unternehmen gaben an, dass sie bereit wären, mehr Zeit und Energie in die Verbesserung ihrer Datenkompetenz zu investieren.

In diesem Artikel befassen wir uns mit den verschiedenen Aspekten der Datenkompetenz, um ein ganzheitliches Verständnis ihrer Bedeutung zu vermitteln.

Was ist Datenkompetenz (Data Literacy)?

Datenkompetenz ist die Fähigkeit, Daten zu verstehen, um Entscheidungen auf der Grundlage von Daten zu treffen. Sie hilft dabei, die richtigen Fragen zu stellen, Wissen aufzubauen und Entscheidungen zu begründen. Datenkompetenz ist kein binäres Konzept, sondern ein Spektrum von Fähigkeiten, das von grundlegenden datengestützten Entscheidungen bis hin zu fortgeschrittenen Fähigkeiten in den Bereichen Data Science, Data Engineering und maschinellem Lernen reicht.

Per Definition geht es um vier Fähigkeiten:

Die ersten beiden ermöglichen es uns, zu erkennen, ob die Daten korrekt sind:

  • Lesen von Daten bedeutet, sie richtig zu beobachten und zu verstehen.
  • Mit Daten arbeiten bedeutet, mit den dargestellten Informationen korrekt umzugehen (und nicht, gut in Programmierung oder Statistik zu sein).

Die nächsten beiden Fähigkeiten ermöglichen es uns, über die Beobachtung hinaus zu Erkenntnissen zu gelangen:

  • Die Datenanalyse beschreibt die Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen, dem „Warum“ auf den Grund zu gehen und den Daten einen Sinn zu geben.
  • Mit Daten argumentieren oder kommunizieren ist die Fähigkeit, die gegebenen Informationen zu hinterfragen.

Es ist wichtig, zwischen technischer Kompetenz und Datenkompetenz zu unterscheiden. Technische Kompetenz umfasst die Tools und die damit verbundenen technischen Fähigkeiten (z. B. Programmierung, Statistik), die für Data Science oder Analytics erforderlich sind, während Datenkompetenz auch auf Soft Skills wie Problemlösung, Entscheidungsfindung und Storytelling einschließt.

Der Mehrwert von Datenkompetenz

Datenkompetenz ermöglicht die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses über Daten im gesamten Unternehmen. Sie führt direkt zu mehr Eigeninitiative und einer besseren Nutzung von Daten und ist ein Schlüsselfaktor für die Demokratisierung von Datennutzung innerhalb von Teams und Unternehmen. Investitionen in Tools und Schulungen helfen, turbulente Zeiten zu überstehen und für die Zukunft gewappnet zu sein.

Hauptbestandteile von Datenkompetenz

Die Definition von Datenkompetenz als Fähigkeit, Daten zu lesen, mit ihnen zu arbeiten, sie zu analysieren und mit ihnen zu kommunizieren, ist nur ein Teil des Konzepts. Jordan Morrow beschreibt in seinem Buch „Be data literate: The data Literacy Skills Everyone Needs to Succeed“ sein Konzept des „Data Literacy Umbrella“, das die folgenden Komponenten umfasst:

  • Die Daten- und Analysestrategie definiert den Fahrplan für Datenkompetenz in einer Organisation. Sie verbindet die Anforderungen, die mit dem Datenkompetenzprogramm erfüllt werden sollen, und zeigt den geschäftlichen Nutzen auf.
  • Data Science gewinnt mit wissenschaftlichen Methoden Informationen und Erkenntnisse. Nach der Erfahrung des Autors mangelt es Datenwissenschaftlern oft an Kommunikationsfähigkeiten. In diesem Fall hilft Datenkompetenz, eine Sprache zu finden und Verständnis für Daten zu fördern.
  • Datenethik beschreibt die ethischen Grundsätze, die der Erhebung, dem Schutz und der Nutzung von Daten durch Unternehmen zugrunde liegen. Datenkompetenz bestimmt direkt die Nuancen dieses Verständnisses in der Praxis.
  • Morrow definiert Datenvisualisierung als einen Ansatz, der die Untersuchung von Daten vereinfacht. Visuelle Kompetenz hilft, die Datenpunkte zu verbinden und Interpretationen zu unterstützen.
  • Führungsteams behalten nicht nur die Datenhoheit und die Verantwortung der Daten- und Analysestrategie, sondern sollten auch Vorbilder und Förderer von Datenkompetenzinitiativen sein. Sie sind auch dafür verantwortlich, eine Datenkompetenzstrategie mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen.
  • Data Governance beschreibt die Organisation, den Prozess und die Richtlinien für die Erfassung, Speicherung, Verwaltung und Löschung von Daten. Ein Mangel an Datenkompetenz kann dazu führen, dass falsche, irrelevante oder zu wenige Daten gesammelt werden.
  • Die Datenqualität beinhaltet Vollständigkeit, Genauigkeit, Relevanz, Aktualität, Konsistenz und Vertrauenswürdigkeit der Daten. Wenn all diese Eigenschaften erfüllt sind, können Unternehmen bessere Entscheidungen treffen. Eine 100-prozentige Genauigkeit ist schwer zu erreichen, aber mit einem guten Verständnis für die Problematik ist es möglich, auch auf Grundlage unvollkommener Daten richtige Entscheidungen zu treffen.

Schulung und Entwicklung von Datenkompetenz

Die riesigen Informationsmengen, die jede Sekunde erzeugt werden, können jede Person oder Organisation, die mit Daten arbeiten will, überfordern. Obwohl viele in der Lage sind, diese Daten zu sammeln und zu speichern, sind nur wenige in der Lage, daraus Nutzen zu ziehen. Der Schlüssel liegt darin, ihre Mitarbeiter:innen in die Lage zu versetzen, effizient mit Daten zu arbeiten.

Dies sollte sich nicht nur auf Individuen konzentrieren, sondern auch auf die Denkweise des Unternehmens. Da jeder neue Prozess oder das Erlernen von Fähigkeiten Zeit und Mühe erfordert, sollte der Erfolg schrittweise und organisch mit einem klaren und unveränderlichen Ziel aufgebaut werden.

Dazu muss eine gemeinsame Sprache gefunden werden, denn ein Begriff kann je nach Standpunkt unterschiedliche Bedeutungen haben. Ein „Kunde“ kann von einem Datenanalysten als Besucher einer Website definiert werden und von einem Buchhalter als Nutzer, der einen Kauf getätigt hat. Um ein gemeinsames Verständnis der Daten zu erreichen, ist es wichtig, die Definitionen in der gesamten Organisation zu harmonisieren.

In jedem Fall ist das Engagement des Managements unerlässlich, um drei Elemente zusammenzubringen: Kultur, Richtung und Fähigkeiten.

Eine Kultur des informierten Handelns zu schaffen bedeutet, datengestützte Erkenntnisse als Grundlage für die Entscheidungsfindung zu nutzen und alle Mitarbeitenden der Organisation zu ermutigen, diesem Prinzip zu folgen. Es ist wichtig, dass Führungskräfte die gesamte Organisation in die Lage versetzen, die Daten der Organisation zu verstehen, Analysen zu hinterfragen und Erkenntnisse für die Entscheidungsfindung zu gewinnen.

Es gibt keine einzelne Fähigkeit, die Datenkompetenz beschreibt – es handelt sich vielmehr um eine Reihe von Fähigkeiten. Einige wichtige Hard Skills wie Datentransformation oder Datenvisualisierung sollten gefördert werden, aber auch Soft Skills wie emotionale Intelligenz, Empathie, Kreativität, komplexe Problemlösung, multidisziplinäres Denken und kognitive Flexibilität werden in Datenkompetenzprogrammen angesprochen. Konzepte, die menschliche Intelligenz einbeziehen und durch Technologie ergänzen, steigern Vertrauen und Produktivität.

Umsetzung von Datenkompetenz am Arbeitsplatz

Unserer Erfahrung nach gibt es keinen allgemeingültigen Ansatz für die Implementierung von Datenkompetenzprogrammen, da es von der Struktur und Komplexität des Unternehmens abhängt, welcher Ansatz am effektivsten ist.

Bottom-up- und Top-down-Ansätze

Der Bottom-up-Ansatz zielt darauf ab, Datenkompetenz durch Befähigung (Bereitstellung von Lernressourcen und Ermutigung) und Motivation (Hervorhebung, wie die neuen Fähigkeiten und die Kultur sie effektiver machen können) zu fördern. Dies bedeutet nicht, dass alle Mitarbeiter zu Datenanalytikern oder Datenexperten werden, sondern dass sie den Wert ihrer Daten und die Bedeutung der Einhaltung bestimmter Standards oder Verfahren bei der Datenerstellung und -analyse verstehen.

Ein anspruchsvollerer Ansatz ist der Top-Down-Ansatz, bei dem der Schwerpunkt auf der Strategie und den Prozessen liegt, durch die die Analytik in die tägliche Arbeit der Teams integriert wird und die Teams effektiv dazu gebracht werden, mit Daten zu arbeiten und Datenkompetenz zu erwerben.

Bei beiden Ansätzen sollten die folgenden Schritte für eine erfolgreiche Implementierung befolgt werden.

Personas identifizieren und entwickeln

Nicht alle Teams arbeiten auf die gleiche Weise mit Daten oder verfolgen die gleichen Ziele, daher ist es wichtig, diese Aspekte zu identifizieren und verschiedene Arten von Daten-Personas zu definieren. Diese können anhand von Rollen (data entry, data engineers, database administrator, data analyst, data scientist, data consumer, statistician) oder aus einer geschäftlichen oder objektiven Perspektive (data aristocrat, data knight, data dreamer, data doubter) identifiziert werden.

Das Ziel finden

Aber wie definiert man die richtige Persona? Eine Möglichkeit besteht darin, die Lücken in der Datenkompetenz für jede Persona zu untersuchen und die potenziellen Auswirkungen einer Schließung dieser Lücken sowie den dafür erforderlichen Zeit-/Ressourcenaufwand zu ermitteln. Eine gute Zielpersona fungiert auch als Botschafter in der Organisation, um Begeisterung und Fähigkeiten zu verbreiten.

Die Lernkurse

Nicht alle Personas müssen die gleichen Qualifikationslücken schließen. Ein Analyst in einer F&E-Abteilung in einem Fertigungsunternehmen beispielsweise verfügt wahrscheinlich bereits über die erforderlichen technischen Fähigkeiten, benötigt aber möglicherweise mehr Training, um Daten zu verstehen, während in der Produktionsplanung möglicherweise Trainings benötigt werden, um Daten zu extrahieren und zu transformieren.

Integration in den Arbeitsalltag

Stellt sicher, dass Datenkompetenz in die täglichen Arbeitsabläufe integriert wird. Ermutigt die Mitarbeiter:innen, die neu erworbenen Fähigkeiten direkt auf ihre Aufgaben und Projekte anzuwenden. Diese praktische Anwendung festigt das Gelernte und zeigt den unmittelbaren Wert der Datenkompetenz am Arbeitsplatz.

Anreize bieten

Dies kann eine Karrieremöglichkeit, eine Beförderung, ein Bonus oder eine Auszeichnung sein. Die Einbeziehung von Daten in die Entscheidungsfindung sollte durch Anreize gefördert werden, anstatt das Gegenteil zu bestrafen. So wird Lernen gefördert und psychologische Sicherheit gewährleistet.

Erfolg messen

Der einfachste Weg, den Erfolg eines Datenprogramms zu messen, könnte die Beantwortung der folgenden Frage sein: Wurde die Profitabilität gesteigert? Aber das ist nicht die einzig denkbare KPI, denn erfolgreiche Datenprogramme sollten auch zu einem höheren Engagement der Mitarbeitenden, einer höheren Motivation zur Teilnahme an zukünftigen Datenprogrammen und einer höheren Datenqualität führen.

Die Rolle der KI-Kompetenz

Heutzutage fragen sich Unternehmen, ob es profitabler ist, in Datenkompetenz oder in KI-Kompetenz zu investieren. Mit generativen KI-Tools wie ChatGPT oder Stable Diffusion war KI-Kompetenz noch nie so wichtig wie heute. Aber was genau ist KI-Kompetenz? Ist sie eine Erweiterung, eine Ergänzung oder etwas völlig anderes als Datenkompetenz?

Generative KI beeinflusst die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Herangehensweise an Datenkompetenz verändern. KI-Kompetenz bedeutet, die Daten zu verstehen, mit denen KI-Modelle trainiert werden, und zu verstehen, wie die Modelle angesichts dieser Daten und Eingabeaufforderungen Ergebnisse erzeugen. Verzerrte Ergebnisse und Halluzinationen sind ein bekanntes Problem. Zu verstehen, was Halluzinationen sind, wie man sie erkennt und warum sie auftreten, sind wichtige Aspekte der KI-Kompetenz. Datenkompetenz ist eng damit verbunden, da Datenkompetenz verwendet werden kann, um zu interpretieren, ob das Ergebnis eines generativen KI-Modells korrekt ist. Das Risiko einer unzureichenden Datenkompetenz im Zusammenhang mit generativer KI besteht darin, dass die Ergebnisse eines Modells als Fakten betrachtet werden.

Datenkompetenz und KI-Kompetenz gehen Hand in Hand, denn ohne eine gemeinsame Sprache, die durch Datenkompetenz definiert wird, kann ein kollektives Verständnis darüber, wie KI-Projekte entwickelt, eingesetzt und gesteuert werden, zu falschen Entscheidungen führen.

Auf der anderen Seite kann generative KI auch die Bemühungen um Datenkompetenz unterstützen, indem sie Daten zugänglicher und interpretierbarer macht. KI-Assistenten senken die Hürden für den Zugang zu Wissen, indem sie ermöglichen, Datenbanken in natürlicher Sprache abzufragen und Daten zu visualisieren, ohne Visualisierungs- und Dashboard-Tools beherrschen zu müssen.

Schlussfolgerung

Von der einfachen Definition bis hin zu einem tieferen Verständnis der Komponenten und ihrer Anwendung auf verschiedenen Ebenen – von Einzelpersonen bis hin zu Unternehmen – umfasst die Entwicklung von Datenkompetenz die Etablierung eines maßgeschneiderten Datenprogramms, das sowohl Hard Skills als auch von Soft Skills und die Fähigkeit, diese bei täglichen datenbasierten Entscheidungen anzuwenden, beinhaltet.

Trotz des zunehmenden Einflusses der generativen KI auf Arbeitsprozesse bleibt Datenkompetenz entscheidend. Sie ermöglicht es Menschen, analytische Daten für die Entscheidungsfindung zu nutzen – eine einzigartige menschliche Fähigkeit, die Kontextverständnis, Urteilsvermögen und Realitätssinn bei der Interpretation von Daten erfordert.


Referenzen

  • 2018 QlikTech International AB, “Lead with Data™ How to Drive Data Literacy in the Enterprise”,  https://www.qlik.com/us/bi/-/media/08F37D711A58406E83BA8418EB1D58C9.ashx
  • 2018 QlikTech International AB, „The Data Literacy Index”, https://www.qlik.com/us/-/media/files/resource-library/global-us/register/analyst-reports/ar-the-data-literacy-index-en.pdf?rev=988d7bbf8a1547878fca382a2f86dc2b
  • 06.2020 DataCamp, Joyce Chiu, “4 Steps to Building a Successful Data Program”
  • 2022 QlikTech International AB, “The Seven Principles of Data Literacy”
  • 05.2023, DataCamp, Matt Crabtree, “Closing the Data Literacy Gap: Key Insights from the State of Data Literacy 2023 Report”
  • Data Literacy project.org, 6-step Approach to launch a data Literacy Initiative
  • DataCamp, Ted Kwartler, Haniyeh Mahmoudian, Sarah Khatry, Adel Nehme, “Data Literacy for Responsible AI”
  • 2022 QlikTech International AB, “Data Literacy: The Upskilling Evolution”
  • 05.06.2022, DLC, Luke Stanke, “The Essential Link between Data Literacy and Data Ethics”
  • 03.03.2021, Kogan Page Publishers, Jordan Morrow, “Be Data Literate: The Data Literacy Skills Everyone Needs To Succeed”
Datenkompetenz (Data Literacy): ein Überblick
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