Was sind KI-Agenten und agentische KI-Systeme?

Die Begriffe „agentische KI-Systeme“ (häufig auch „agentische KI“ genannt) und „KI-Agenten“ sind aktuell in aller Munde. Viele teilen ihre intelligenten Workflows und digitalen Assistenten und bezeichnen sie oft als „agentisch“. Doch um zu verstehen, wie diese Systeme funktionieren und wo sie besonders effektiv eingesetzt werden können, solltest du wissen, was agentische KI-Systeme und klassische KI-Agenten eigentlich sind. In diesem Artikel erfährst du, was diese Technologien voneinander unterscheidet, welche besonderen Stärken und Herausforderungen sie mit sich bringen und wie sie die Zukunft der intelligenten Automatisierung prägen.

Warum spricht man überhaupt von „Agent“ oder „agentisch“?

In der Informatik ist ein KI-Agent ein System, das seine Umgebung wahrnimmt, mit Daten arbeitet und eigenständig Aktionen ausführt, um bestimmte Ziele zu erreichen – ähnlich wie ein menschlicher Agent, der im Auftrag anderer unabhängig handelt. Das Konzept ist seit den Anfängen der KI-Forschung grundlegend und beschreibt jedes Programm oder jede Maschine, die wahrnehmen, Informationen verarbeiten und gezielt handeln kann. Der Begriff „agentisch“ erweitert diese Vorstellung: Er betont proaktives, selbstgesteuertes Verhalten und die Fähigkeit, über längere Zeiträume hinweg eigenständig Entscheidungen zu treffen.

Was ist der Unterschied zwischen agentischen KI-Systemen und KI-Agenten?

Auch wenn sowohl agentische KI-Systeme als auch KI-Agenten dazu gedacht sind, unabhängig zu arbeiten und menschliche Aktivitäten zu unterstützen, unterscheiden sie sich in ihren Fähigkeiten und ihrem Anwendungsbereich. Ein agentisches KI-System besteht dabei aus mindestens zwei KI-Agenten, die zusammenarbeiten. Im Folgenden schauen wir uns die Merkmale, Vorteile und Herausforderungen beider Konzepte genauer an.

Merkmale und Vorteile von KI-Agenten

  • Aufgabenorientiert: KI-Agenten sind darauf ausgelegt, klar definierte, spezifische Aufgaben innerhalb festgelegter Grenzen zu erledigen. Beispiele hierfür sind Chatbots oder automatisierte Terminplaner.
  • Begrenzte Autonomie: Sie handeln innerhalb ihres Aufgabenbereichs unabhängig, benötigen dabei aber klare Anweisungen und Rahmenbedingungen.
  • Einzelzweck: Meist konzentrieren sie sich auf eine bestimmte Art von Aktivität oder einen bestimmten Workflow.
  • Effizienz: KI-Agenten sind besonders effektiv bei der Automatisierung sich wiederholender, regelbasierter Aufgaben. Dadurch verringern sie die Arbeitsbelastung und Fehlerquote von Menschen erheblich.
  • Einfache Integration: Sie lassen sich unkompliziert in bestehende Software oder Workflows einbinden, ohne dass größere Änderungen erforderlich sind.

Merkmale und Vorteile agentischer KI-Systeme

  • Autonome Entscheidungsfindung: Agentische KI-Systeme analysieren Situationen, treffen komplexe Entscheidungen und handeln weitgehend unabhängig – mit nur minimaler menschlicher Kontrolle.
  • Zielorientiert: Sie planen und setzen mehrstufige Strategien um, um übergeordnete Ziele zu erreichen, statt nur auf einzelne Eingaben zu reagieren.
  • Lernen und Anpassen: Sie verbessern ihre Leistung kontinuierlich, indem sie aus Interaktionen lernen und sich an neue Umstände anpassen.
  • Multi-Agenten-Koordination: Häufig koordinieren sie mehrere KI-Agenten oder Systeme, um komplexe Workflows und dynamische Umgebungen zu steuern.         
  • Flexibilität: Sie passen sich flexibel an sich ändernde Umgebungen und unerwartete Herausforderungen an und eignen sich deshalb besonders für dynamische, komplexe Szenarien.
  • Proaktives Problemlösen: Sie erkennen Probleme und Chancen frühzeitig und ergreifen eigenständig Maßnahmen, um ihre Ziele zu erreichen.
  • Skalierbarkeit: Sie können groß angelegte, mehrstufige Prozesse steuern und sich über verschiedene Tools und Systeme hinweg koordinieren.
  • Kontinuierliche Verbesserung: Sie lernen aus Erfahrung und optimieren ihre Strategien und Ergebnisse im Laufe der Zeit.

Herausforderungen von KI-Agenten

  • KI-Agenten können Aufgaben oder Situationen, die außerhalb ihres vordefinierten Bereichs oder Trainingsdatensatzes liegen, nicht bewältigen. Sie reagieren auf bestimmte Auslöser, anstatt proaktiv nach Lösungen oder Chancen zu suchen.
  • Wenn sich Anforderungen oder die Umgebung ändern, sind sie darauf angewiesen, dass Menschen sie aktualisieren oder neu trainieren, um mit neuen Gegebenheiten umgehen zu können.

Herausforderungen agentischer KI-Systeme

  • Agentische KI-Systeme sind schwieriger zu entwickeln, bereitzustellen und zu warten. Die Koordination mehrerer Agenten und Systeme erfordert eine robuste Infrastruktur und sorgfältige Verwaltung.
  • Durch die autonome Entscheidungsfindung wird es schwieriger, die Handlungen nachzuvollziehen oder zu erklären. Das wirft ethische und Governance-Fragen auf.
  • Je größer die Autonomie, desto höher ist das Risiko von Fehlern oder unerwünschten Ergebnissen, wenn die Systeme nicht ausreichend überwacht und kontrolliert werden.

Wie funktionieren KI-Agenten und agentische KI-Systeme?

Miteinander agierende und lernende KI-Agenten in einem agentischen KI-System. Video erstellt mit Midjourney.

KI-Agenten arbeiten meist reaktiv: Sie nutzen Gesprächs- und generative KI, um Nutzeranfragen zu verstehen, passende Antworten zu generieren und Aufgaben innerhalb ihrer vordefinierten Workflows zu steuern. Sie interagieren mit ihrer Umgebung, sammeln Daten und treffen eigenständige Entscheidungen – allerdings immer innerhalb festgelegter Grenzen. Obwohl sie eigenständig Aktionen wählen, um ihre Ziele zu erreichen, bleibt ihre Flexibilität auf die Regeln und Skripte beschränkt, auf die sie trainiert wurden.

Agentische KI-Systeme gehen über reine Reaktionen hinaus. Sie verstehen proaktiv die Absichten und den Kontext der Nutzer und verfolgen eigenständig übergeordnete Ziele – ganz ohne feste Skripte oder strikte Vorgaben. Dafür nutzen sie fortschrittliche Sprachmodelle (LLMs) und kombinieren maschinelles Lernen, natürliche Sprachverarbeitung (NLP) und Automatisierung, um komplexe Entscheidungen zu treffen und mehrstufige Prozesse zu orchestrieren. Beispiele dafür sind die Optimierung von Lieferketten oder die Personalisierung von Kundeninteraktionen. Im Gegensatz zu klassischen KI-Agenten passen sich agentische KI-Systeme dynamisch an unerwartete Situationen an, lernen aus Erfahrung und nutzen sowohl Kurz- als auch Langzeitgedächtnis, um ihre Handlungen und Ergebnisse im Laufe der Zeit kontinuierlich zu verbessern.

Anwendungsfälle

KI-Agenten sind besonders in Umgebungen mit klaren, strukturierten Abläufen erfolgreich. Typische Einsatzbereiche sind zum Beispiel Chatbots im Kundenservice, automatisierte E-Mail-Antworten und einfache Workflow-Automatisierung in Unternehmen. Sie werden für Aufgaben wie das Zurücksetzen von Passwörtern, das Management von Inhalten oder Projekten eingesetzt – überall dort, wo ein vorgegebener Ablauf zu zuverlässigen Ergebnissen und deutlichen Produktivitätssteigerungen führt.

Fortgeschrittene KI-Agenten, etwa solche, die auf Plattformen wie Microsoft Copilot Studio basieren, können mit Kunden interagieren, Supportanfragen beantworten und Workflows organisieren. Damit bieten sie nicht nur Effizienz, sondern auch Flexibilität für viele alltägliche Aufgaben im Geschäftsleben.

Kurzer Überblick über einige KI-Agenten von Microsoft, vorgestellt vom Deep Learning- und LLM-Experten Sam Witteveen. Quelle: „Microsoft Launches 10 NEW AI Agents.“ YouTube, hochgeladen von Sam Witteveen, 24. Nov. 2024, https://youtu.be/pcWKJ_yvf1M?si=R0aWgr4C9g-z7rbQ

Labor Assistent LabTwin

LabTwin ist zum Beispiel ein führender digitaler Sprachassistent, der die Datenerfassung und Protokollführung im Labor automatisiert, Wissenschaftler mit Echtzeit-Erinnerungen unterstützt und sich nahtlos in Laborsysteme integriert. Dadurch wird LabTwin zu einem leistungsstarken Werkzeug für Effizienz und Konsistenz in Forschungsumgebungen. So kann es beispielsweise den Dokumentationsprozess in der Zellkulturforschung unterstützen, indem es Wissenschaftlern ermöglicht, Zellkultur-Workflows freihändig an der Sicherheitswerkbank zu optimieren und zu dokumentieren – sie können unter anderem per Sprachbefehl Beobachtungen aufzeichnen oder auf Protokolle zugreifen. Die Notwendigkeit manueller Notizen entfällt dadurch und das Kontaminationsrisiko wird reduziert. Obwohl LabTwin fortschrittliche KI einsetzt, um Daten zu verarbeiten und Arbeitsabläufe zu steuern, agiert es in erster Linie als KI-Assistent, ist jedoch noch kein wirklich agentisches KI-System, da es strukturierten Anweisungen folgt und Experimente nicht eigenständig entwirft oder anpasst.

Eine Demonstration von LabTwin, einem digitalen Sprachassistenten, der als KI-Agent betrachtet werden kann. Quelle: „LabTwin l ELN integration l Voice assistant.“ YouTube, hochgeladen von LabTwin, 23 Apr. 2024, https://youtu.be/q7twPXSPT8c?si=ahr45_vaiRED1c2K

Wie sieht also ein wirklich agentisches System aus?

Agentische KI-Systeme transformieren ganze Branchen, indem sie eigenständig planen, entscheiden und handeln, um komplexe Ziele zu erreichen – und das weit über einfache Aufgabenautomatisierung hinaus. Eine wirklich agentische KI kann unabhängig Ziele setzen, Strategien entwickeln und ihren Ansatz anpassen, wenn sich die Umstände ändern, und das mit minimaler oder ganz ohne menschliche Intervention.

Hier ein Beispiel: Eine Finanzinstitution nutzt ein agentisches KI-System, das aus mehreren autonomen Agenten besteht. Ein Agent analysiert Marktdaten und prognostiziert Zinsentwicklungstrends, während ein anderer das Kundenverhalten untersucht und individuelle Risikoprofile ableitet. Die Agenten kommunizieren miteinander, stimmen ihre Vorhersagen ab und passen gemeinsam die Anlagestrategien an. Dabei lernen sie kontinuierlich aus neuen Daten und den Handlungen der jeweils anderen, um die Gesamtperformance zu optimieren. Während alle Maßnahmen dem übergeordneten Ziel dienen, die bestmöglichen Anlagestrategien für Kunden und die Institution zu entwickeln, besteht das wirklich Agentische darin, dass selbst die Mitarbeitenden der Institution im Voraus nicht wissen, welche Strategien entstehen werden, da diese nicht vorbestimmt sind.

Wenn du mehr über ein konkretes Beispiel für ein intelligentes, agentisches System lesen möchtest, geh direkt zum Artikel meines Kollegen Neil Sinclair: Agentic AI: Wertschöpfung mit intelligenten Systemen.

Wie verändern agentische KI-Systeme die Teamarbeit?

Agentische KI-Systeme verändern Teamarbeit grundlegend, indem sie Routineaufgaben automatisieren und eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen Menschen und intelligenten Agenten ermöglichen. Dieser Wandel erlaubt es Teams, sich auf Kreativität und Strategie zu konzentrieren, während die KI Ausführung und Koordination übernimmt. Das ermöglicht…

…die Automatisierung sich wiederholender Aufgaben, sodass menschliche Talente für wertschöpfende Arbeit frei werden;
…die Zusammenarbeit mehrerer Agenten, die effektive Teamstrukturen nachahmt;
…adaptives Problemlösen.

Aber du solltest nicht übersehen, dass dafür klare Kommunikation und Steuerung nötig sind, um Vertrauen und Verantwortlichkeit sicherzustellen. Außerdem sind die Entscheidungsprozesse eines agentischen KI-Systems oft undurchsichtig, was es Teammitgliedern schwer macht, Ergebnisse nachzuvollziehen oder zu hinterfragen. Das kann das Vertrauen untergraben und zu Reibungen in der Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI führen.

…Und wie sieht es mit Transparenz, Verantwortlichkeit und Ethik aus?

Sie sind grundlegend, wenn agentische KI-Systeme eingesetzt werden – besonders, weil diese Systeme große Mengen sensibler Daten verarbeiten und steuern. In der DACH-Region ist die strikte Einhaltung der DSGVO unerlässlich: Dazu gehören transparente Dokumentation der KI-Nutzung, klare Datenschutzrichtlinien und regelmäßige Sicherheits-Audits. Mitarbeitende sollten darin geschult werden, wie sie mit KI-Systemen verantwortungsvoll umgehen, damit sowohl Compliance als auch ethische Standards im gesamten Unternehmen gewährleistet sind. Zusätzlich sind robuste Kontrollmechanismen und menschliche Evaluierung entscheidend, um potenzielle Verzerrungen zu erkennen und sicherzustellen, dass agentische KI-Systeme faire, präzise und vertrauenswürdige Ergebnisse liefern.

Fazit: Was bedeutet das für Unternehmen?

Wenn du solche KI-Lösungen auswählst, solltest du zunächst die Prozesse identifizieren, die das größte Optimierungspotenzial bieten – das sind in der Regel repetitive Kommunikationsaufgaben und standardisierte Workflows. Es ist entscheidend, die Implementierung von KI mit den Unternehmenszielen abzustimmen und für eine solide Governance, Transparenz und Compliance zu sorgen, besonders im Hinblick auf Datenschutz und ethische Aspekte. Wenn diese Basis geschaffen ist, kannst du im Unternehmen kreativere und fortschrittlichere agentische Systeme entwickeln.

Ausblick

Agentische KI wird künftig zum Standard für kundenorientierte Automatisierung und ermöglicht dabei menschenähnliche Erlebnisse, die sich flexibel an komplexe Kundenbedürfnisse anpassen und die Zufriedenheit steigern. Die Integration agentischer KI in bestehende SaaS-Tools wie Projektmanagement-, CRM-, Marketing- und Finanzplattformen macht die Einführung einfacher und kostengünstiger. So können Unternehmen von intelligenteren, autonomeren Systemen profitieren, ohne dafür eigene Insellösungen entwickeln zu müssen.








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