Was sind Maschinenkunden?
Sogenannte Maschinenkunden sind nicht-menschliche Kunden, die sich ähnlich wie ein Mensch im Einkaufsprozess verhalten: Sie können entscheiden, was und wann sie etwas kaufen werden und den Bestellprozess autonom durchführen. Maschinenkunden werden auch Custobots genannt, kurz für “Customer Robots”, und agieren mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellen Lernens (ML) eigenständig mit Unternehmen oder Diensten, zum Beispiel Online-Plattformen wie Amazon. Sie können durch Chatbots, automatisierte Prozesse oder virtuelle Assistenten auch auf Anfragen von Menschen oder anderen Maschinen reagieren.
Gibt es Maschinenkunden bereits?
Maschinenkunden existieren bereits, aber sie arbeiten oft noch unter menschlicher Aufsicht oder mit begrenztem Entscheidungsspielraum. Sie spielen sowohl als groß angelegte Programme in der Industrie eine Rolle, zum Beispiel im Supply Chain Management, als auch im kleinen Rahmen, wie etwa in Form von miteinander vernetzten Geräten im Smart Home (IoT). Sprachassistenten wie Alexa können bereits Online-Einkäufe selbstständig tätigen, wenn man sie dazu auffordert, und fortgeschrittenere Beispiele wie Perplexitys KI-Einkaufsassistent decken den gesamten Auswahl- und Einkaufsprozess ab. Der Mensch spielt aber in diesen Prozessen immer noch eine recht große Rolle, was sich jedoch in Zukunft ändern könnte.

Was unterscheidet Maschinenkunden von menschlichen Kunden?
Echte Menschen treffen Kaufentscheidungen auf Basis verschiedener Aspekte. Werbung, Kommunikationspsychologie, Emotionen und Gefühle, wie zum Beispiel Hunger, spielen eine große Rolle auf dem Weg zum Kauf und der Kaufvorgang ist von vielen subjektiven Wahrnehmungen geprägt.
Ein Beispiel aus dem Supermarkt: Wenn wir einkaufen gehen, packen wir die zehn Dinge in den Wagen, die auf unserer Einkaufsliste standen. Zusätzlich noch etwas, was im Angebot ist, obwohl wir nicht geplant haben, es zu kaufen, und noch etwas, weil es so eine ansprechende Verpackung hat und dadurch unser Interesse weckt. Ganz am Ende landet dann plötzlich noch ein Schokoriegel im Wagen – nicht geplant, aber wir hatten gerade einen kleinen Durchhänger.
Maschinenkunden unterscheiden sich stark von Menschen, denn sie treffen ihre Entscheidungen auf Basis ihrer Programmierung und messbaren Faktoren wie Qualität oder Preis, nicht aufgrund von Emotionen oder spontanen Impulsen.
KI-gestützte Kaufentscheidungen: so funktionieren Maschinenkunden
Maschinenkunden sind programmiert, haben konkrete, vorher festgelegte Ziele und handeln basierend auf Algorithmen. Sie können zum Beispiel das Ziel verfolgen, möglichst günstig einzukaufen oder einen gewissen Bestand halten. Dazu sammeln sie Daten über Verfügbarkeit, Preise und Verbrauchsverhalten. Sobald eine definierte Bedingung erfüllt ist – beispielsweise ein niedriger Lagerbestand – wird automatisch eine Bestellung ausgelöst. Diese Bestellungen müssen nicht zwangsweise den Kauf eines Produkts umfassen – auch Dienstleistungen wie die Buchung eines Arzttermins oder einer Wartung können von Maschinenkunden organisiert werden.
Übrigens hat mein Kollege Neil Sinclair bereits anschaulich über intelligente, KI-gestützte Systeme geschrieben, die auch in Bestellvorgängen eine interessante Rolle spielen: Agentic AI: Wertschöpfung mit intelligenten Systemen
Vorteile von Maschinenkunden – warum werden Maschinen als Käufer immer relevanter?
Der Zeitaspekt
Sie sind Menschen in einigen Punkten überlegen, zum Beispiel können Maschinenkunden in viel kürzerer Zeit einen viel größeren Umfang an Bestellungen aufgeben. Sie analysieren Daten in Echtzeit, erkennen Bedarf sofort und bestellen automatisch, ohne Verzögerungen oder menschliche Eingriffe.
Ausgleichen menschlicher Fehler & Umweltschutz
Das Aufgeben einer unvollständigen Bestellung oder zu spätes Bestellen ist menschlich und kommt im Daily Business vor, kann jedoch zu finanziellen Einbußen oder Produktionsverzögerungen führen. KI-gestützte Algorithmen sorgen dafür, dass Bestellungen exakt auf den Bedarf abgestimmt sind, wodurch Über- oder Unterbestellungen vermieden werden. So kann auch ein Beitrag zum Umweltschutz und gegen Verschwendung geleistet werden, da zum Beispiel Lebensmittel mit einer begrenzten Haltbarkeit nur in der Menge geordert werden, die in einer bestimmten Zeit auch aufgebraucht wird.
Skalierbarkeit
Prozesse können effizienter, zeitsparender und skalierbarer gestaltet werden. Maschinen sind in der Lage, rund um die Uhr zu handeln. Sie passen sich dynamisch an Nachfrageänderungen an und können – sofern sie entsprechend trainiert und konfiguriert sind – auf Marktentwicklungen reagieren, indem sie Preise und Lieferzeiten in Echtzeit vergleichen und so kosteneffiziente Entscheidungen treffen.
Stabilität durch automatisierte Kaufentscheidungen
Die erfolgreiche Integration eines solchen Maschinenkunden in bestehende Logistik- und Lieferantensysteme unterstützt die Automatisierung und Optimierung des gesamten Beschaffungsprozesses. Das kann wiederum zu geringeren Betriebskosten, einer höheren Verfügbarkeit von Ressourcen und einer stabileren Lieferkette führen.

Einsatzbereiche von Maschinenkunden
Maschinenkunden können in Form von Beschaffungsbots auftreten, die Verbrauchsgüter wie Druckerpapier oder Kaffee nachbestellen. Ein weiteres wichtiges Einsatzfeld ist das automatisierte Buchen von Dienstleistungen. Noch buchen wir über Plattformen wie Doctolib unseren nächsten Arzttermin, weil wir uns daran erinnern, dass wir mal wieder zur alljährlichen Zahnarztuntersuchung müssen. Ein Maschinenkunde könnte in Abstimmung mit dem persönlichen Terminkalender eigenständig Arzttermine buchen, je nach Verfügbarkeit und Dringlichkeit.
Im Bank- und Finanzsektor nimmt automatisiertes Handeln – insbesondere der algorithmische Handel (High-Frequency Trading) – bereits seit Jahren eine zentrale Rolle ein. Marktdaten werden in Echtzeit ausgewertet, Kauf und Verkaufsaufträge innerhalb von Millisekunden ausgeführt und so Gewinnpotenziale maximal ausgeschöpft. Auf dieser Grundlage eröffnet sich auch ein vielversprechender Anwendungsbereich für Maschinenkunden, die stellvertretend für einzelne Anlegerinnen und Anleger agieren können.
Die Automobilbranche bietet ebenfalls Raum für eine solche Technologie: Autonome Fahrzeuge könnten beispielsweise Wartungstermine selbstständig buchen oder etwa einen Service-Termin vereinbaren, wenn Sensoren feststellen, dass ein Bauteil bald ausgetauscht werden muss oder der Ölstand bald unter den festgelegten Schwellenwert fallen wird.
Beispiel einer All-in-One-Lösung: Perplexitys KI-Einkaufsassistent
Im November 2024 hat Perplexity seinen KI-Einkaufsassistenten eingeführt, der eine ziemlich fortschrittliche Implementierung von Maschinenkundentechnologie im Konsumentenmarkt darstellt. Er fungiert als intelligenter Vermittler zwischen Käufern und Produkten und verändert grundlegend die Customer Journey. Der Assistent kombiniert eine visuelle Suchfunktion mit KI-gesteuerten Produktempfehlungen basierend auf den Nutzeranfragen. Die integrierte „Buy with Pro“-Funktion ermöglicht einen schnellen Kauf direkt über die Plattform von Perplexity, da das System Produktrecherche, Vergleich und Checkout-Logistik in einem Durchgang abwickelt.
Für Händler führt dieser Wandel zu einer kritischen neuen Abhängigkeit: Ihre Sichtbarkeit hängt nun von der Algorithmus-Bevorzugung ab und nicht mehr von traditionellen Marketingansätzen. Diese KI-Systeme werden quasi digitale Gatekeeper und möglicherweise bestimmen, welche Produkte auf dem Markt tatsächlich erfolgreich sind – oder es werden.
Gedanken über den Einfluss auf das Konsumentenverhalten
…und ist eine Markenidentität dann überhaupt noch notwendig?
Die Auswirkungen auf das Konsumentenverhalten könnten sich verschiedene Richtungen entwickeln. Einerseits könnten wir eine Zunahme von Impulskäufen sehen, da Reibungspunkte im Kaufprozess entfernt werden. Gleichzeitig könnte ein Rückgang der traditionellen Kundentreue zu bestimmten Marken beobachtet werden, und zwar aufgrund dessen, dass KI-Assistenten messbare Metriken wie Preis und Bewertungen gegenüber den emotionalen Verbindungen priorisieren, die Marken im Laufe der Zeit mit ihren Verbrauchern aufgebaut haben.
Alternativ könnten wir eine nuanciertere Entwicklung erleben, die in die gegengesetzte Richtung geht. Wenn Einkaufsassistenten beginnen, nicht nur Produktspezifikationen, sondern auch Markenwerte und Identitätsmerkmale zu analysieren, könnten sie tatsächlich wertebasierte Kaufentscheidungen stärken. Stell dir ein Szenario vor, in dem die KI Produkte nicht nur empfiehlt, weil sie objektiv (nach Auswertung der Produktdaten) überlegen sind, sondern weil sie mit den ethischen Präferenzen oder dem Lebensstil eines Verbrauchers übereinstimmen (nach Auswertung der Produktdaten sowie aller vorhandenen Informationen über eine Marke). Dies würde den Wettbewerb von Produktattributen auf Markenwerte und -identität verlagern und Produkte von Unternehmen hervorheben, deren Grundprinzipien mit bestimmten Konsumentensegmenten resonieren. Für eine Marke würde es so noch wichtiger werden, eine klare Identität zu haben.
Herausforderungen für Anbieter und Nutzer
Die Automatisierung von Kaufprozessen wirft Fragen zu Datenschutz, ethischen Aspekten und neuen Geschäftsmodellen auf. Wie kann Missbrauch verhindert werden? Wer haftet bei Fehlern? Wie beeinflussen Maschinenkunden den Wettbewerb? (Das bereits genannte High-Frequency Trading ist ein Beispiel dafür, wo ein ungerechter Wettbewerb bereits seit längerem diskutiert wird.) Diese Fragen müssen Unternehmen und Gesetzgeber in Zukunft klären. Der EU AI Act beschäftigt sich bereits mit einigen dieser Themen und kann hier eingesehen werden: Der AI Act Explorer | EU-Gesetz über künstliche Intelligenz. Da diese Richtlinien aber noch in den Kinderschuhen stecken und die Technologien sich schneller als die dazugehörigen Regelungen entwickeln, liefert der EU AI Act noch keine endgültigen Antworten auf alle Fragen in den zahlreichen potenziellen und bereits bestehenden Einsatzbereichen der KI.
Damit Maschinenkunden fundierte Entscheidungen treffen können, müssen zudem gewisse Rahmenbedingungen erfüllt sein. Da ihre Wahl auf der Analyse von Produkt- und Servicedaten basiert, ist eine ausreichende Datenqualität essenziell. Fehlerhafte oder unvollständige Datensätze können dazu führen, dass Maschinenkunden ihre Aufgaben nicht optimal erfüllen und das eigentliche Ziel verfehlt wird.
Die Zukunft des KI-gestützten Einkaufs
So viel kann man sagen: Der Handel wird sich durch Maschinenkunden grundlegend verändern, sowohl B2B als auch B2C. KI-gestützte Anwendungen wie zum Beispiel unsere KI-gestützte Produktsuche Smart Search werden in immer mehr Online-Shops und Unternehmen integriert und erleichtern den Einsatz intelligenter Einkaufsprozesse. Wie siehst du das – bereit für deinen ersten Bot-Kunden?